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1994-09-22
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2,195 lines
Das Buch Hiob.
\1\
Gerechtigkeit des Hiob, sein Wohlstand und seine Sorge um die
Gottesfurcht seiner Kinder.
$1$ Es war ein Mann im Lande Uz, sein Name war Hiob. Und
dieser Mann war rechtschaffen und redlich und gottesfürchtig und
mied das Böse. $2$ Ihm wurden sieben Söhne und drei Töchter
geboren. $3$ Und sein Besitz bestand aus siebentausend Schafen
und dreitausend Kamelen und fünfhundert Gespannen Rinder und
fünfhundert Eselinnen, und [sein] Gesinde war sehr zahlreich, so
daβ dieser Mann gröβer war als alle Söhne des Ostens.
$4$ Nun pflegten seine Söhne hinzugehen und Gastmahl zu halten
- der Reihe nach im Haus eines jeden. [Dazu] sandten sie hin und
luden ihre drei Schwestern ein, mit ihnen zu essen und zu
trinken. $5$ Und es geschah, wenn die Tage des Gastmahls
reihumgegangen waren, da sandte Hiob hin und heiligte sie: Früh
am Morgen stand er auf und opferte Brandopfer nach ihrer aller
Zahl. Denn Hiob sagte [sich]: Vielleicht haben meine Söhne
gesündigt und in ihrem Herzen Gott geflucht. So machte es Hiob
all die Tage [nach den Gastmählern].
\1\
Vorsprache des Satan bei Gott - Hiobs Bewährung nach Verlust von
Vieh, Knechten, Söhnen und Töchtern.
$6$ Und es geschah eines Tages, da kamen die Söhne Gottes, um
sich vor dem HERRN einzufinden. Und auch der Satan kam in ihrer
Mitte. $7$ Und der HERR sprach zum Satan: Woher kommst du? Und
der Satan antwortete dem HERRN und sagte: Vom Durchstreifen der
Erde und vom Umherwandern auf ihr. $8$ Und der HERR sprach zum
Satan: Hast du acht gehabt auf meinen Knecht Hiob? Denn es gibt
keinen wie ihn auf Erden - ein Mann, so rechtschaffen und
redlich, der Gott fürchtet und das Böse meidet! $9$ Und der
Satan antwortete dem HERRN und sagte: Ist Hiob [etwa] umsonst so
gottesfürchtig? $10$ Hast du selbst nicht ihn und sein Haus
und alles, was er hat, rings umhegt? Das Werk seiner Hände hast
du gesegnet, und sein Besitz hat sich im Land ausgebreitet.
$11$ Strecke jedoch nur einmal deine Hand aus und taste alles
an, was er hat, ob er dir nicht ins Angesicht flucht! $12$ Da
sprach der HERR zum Satan: Siehe, alles, was er hat, ist in
deiner Hand. Nur gegen ihn [selbst] strecke deine Hand nicht
aus! Und der Satan ging vom Angesicht des HERRN fort.
$13$ Und es geschah eines Tages, als seine Söhne und seine
Töchter im Haus ihres erstgeborenen Bruders aβen und Wein
tranken, $14$ da kam ein Bote zu Hiob und sagte: Die Rinder
waren gerade beim Pflügen, und die Eselinnen weideten neben
ihnen, $15$ da fielen Sabäer ein und nahmen sie weg und die
Knechte erschlugen sie mit der Schärfe des Schwertes. Ich aber
bin entkommen, nur ich allein, um es dir zu berichten. $16$
Noch redete der, da kam ein anderer und sagte: Feuer Gottes fiel
vom Himmel, brannte unter den Schafen und den Knechten und
verzehrte sie. Ich aber bin entkommen, nur ich allein, um es dir
zu berichten. $17$ Noch redete der, da kam ein anderer und
sagte: [Die] Chaldäer hatten drei Abteilungen aufgestellt und
sind über die Kamele hergefallen und haben sie weggenommen, und
die Knechte haben sie mit der Schärfe des Schwertes erschlagen.
Ich aber bin entkommen, nur ich allein, um es dir zu berichten.
$18$ Während der [noch] redete, da kam ein anderer und sagte:
Deine Söhne und deine Töchter aβen und tranken Wein im Haus
ihres erstgeborenen Bruders. $19$ Und siehe, ein starker Wind
kam von jenseits der Wüste her und stieβ an die vier Ecken des
Hauses. Da fiel es auf die jungen Leute, und sie starben. Ich
aber bin entkommen, nur ich allein, um es dir zu berichten. -
$20$ Da stand Hiob auf und zerriβ sein Obergewand und schor
sein Haupt; und er fiel auf die Erde und betete an. $21$ Und
er sagte: Nackt bin ich aus meiner Mutter Leib gekommen, und
nackt kehre ich dahin zurück. Der HERR hat gegeben, und der HERR
hat genommen, der Name des HERRN sei gepriesen! $22$ Bei
alldem sündigte Hiob nicht und legte Gott nichts Anstöβiges zur
Last.
\2\
Vorsprache Satans bei Gott - Hiobs Bewährung nach Verlust der
Gesundheit.
$1$ Und es geschah eines Tages, da kamen die Söhne Gottes, um
sich vor dem HERRN einzufinden. Und auch der Satan kam in ihrer
Mitte, um sich vor dem HERRN einzufinden. $2$ Und der HERR
sprach zum Satan: Von woher kommst du? Und der Satan antwortete
dem HERRN und sagte: Vom Durchstreifen der Erde und vom
Umherwandern auf ihr. $3$ Und der HERR sprach zum Satan: Hast
du acht gehabt auf meinen Knecht Hiob? Denn es gibt keinen wie
ihn auf Erden, - ein Mann, so rechtschaffen und redlich, der
Gott fürchtet und das Böse meidet! Und noch hält er fest an
seiner Rechtschaffenheit. Und dabei hattest du mich gegen ihn
aufgereizt, ihn ohne Grund zu verschlingen. $4$ Da antwortete
der Satan dem HERRN und sagte: Haut für Haut! Alles, was der
Mensch hat, gibt er für sein Leben. $5$ Strecke jedoch nur
einmal deine Hand aus und taste sein Gebein und sein Fleisch an,
ob er dir nicht ins Angesicht flucht! $6$ Da sprach der HERR
zum Satan: Siehe, er ist in deiner Hand. Nur schone sein Leben!
$7$ Und der Satan ging vom Angesicht des HERRN fort und schlug
Hiob mit bösen Geschwüren, von seiner Fuβsohle bis zu seinem
Scheitel. $8$ Und er nahm eine Tonscherbe, um sich damit zu
schaben, während er mitten in der Asche saβ. $9$ Da sagte
seine Frau zu ihm: Hältst du noch fest an deiner Vollkommenheit?
Fluche Gott und stirb! $10$ Er aber sagte zu ihr: Wie eine der
Törinnen redet, so redest auch du. Das Gute nehmen wir von Gott
an, da sollten wir das Böse nicht auch annehmen? Bei alldem
sündigte Hiob nicht mit seinen Lippen.
\2\
Besuch der Freunde bei Hiob.
$11$ Es hatten nun die drei Freunde Hiobs von all diesem
Unglück gehört, das über ihn gekommen war. Da kamen sie, jeder
aus seinem Ort: Elifas, der Temaniter, und Bildad, der
Schuchiter, und Zofar, der Naamatiter. Und sie verabredeten sich
miteinander hinzugehen, um ihm ihre Teilnahme zu bekunden und
ihn zu trösten. $12$ Als sie aber von fern ihre Augen erhoben,
erkannten sie ihn nicht [mehr]. Da erhoben sie ihre Stimme und
weinten, und sie zerrissen ein jeder sein Obergewand und
streuten Staub himmelwärts auf ihre Häupter. $13$ Und sie
saβen bei ihm auf der Erde sieben Tage und sieben Nächte lang.
Und keiner redete ein Wort zu ihm, denn sie sahen, daβ der
Schmerz sehr groβ war.
\3\
Hiobs verzweifelte Klage.
$1$ Danach öffnete Hiob seinen Mund und verfluchte seinen Tag.
$2$ Und Hiob begann und sagte: $3$ Vergehen soll der Tag, an
dem ich geboren wurde, und die Nacht, die sprach: Ein Junge
wurde empfangen! $4$ Dieser Tag sei Finsternis! Gott in der
Höhe soll nicht nach ihm fragen, und kein Licht soll über ihm
glänzen! $5$ Dunkel und Finsternis sollen ihn für sich
fordern, Regenwolken sollen sich über ihm lagern,
Verfinsterungen des Tages ihn erschrecken! $6$ Diese Nacht -
Dunkelheit ergreife sie! Sie freue sich nicht unter den Tagen
des Jahres, in die Zahl der Monate komme sie nicht! $7$ Siehe,
diese Nacht sei unfruchtbar, kein Jubel soll in sie
hineinkommen! $8$ Es sollen sie die verwünschen, die den Tag
verfluchen, die fähig sind, den Leviatan zu reizen! $9$
Verfinstert seien die Sterne ihrer Dämmerung; sie hoffe auf
Licht, und da sei keines; und sie schaue nicht die Wimpern der
Morgenröte! $10$ Denn sie hat die Pforte meines Mutterschoβes
nicht verschlossen und Unheil nicht vor meinen Augen verborgen.
$11$ Warum starb ich nicht von Mutterleib an, verschied ich
nicht, als ich aus dem Schoβ hervorkam? $12$ Weshalb kamen
Knie mir entgegen und wozu Brüste, daβ ich sog?
$13$ Denn dann läge ich [jetzt] da und wäre still. Ich
schliefe - dann hätte ich Ruhe - $14$ mit Königen und
Ratgebern der Erde, die sich Trümmerstätten erbauten, $15$
oder mit Obersten, die Gold hatten, die ihre Häuser mit Silber
füllten. $16$ Oder wie eine verscharrte Fehlgeburt wäre ich
nicht da, wie Kinder, die das Licht nie erblickt haben. $17$
Dort lassen die Gottlosen ab vom Toben, und dort ruhen die,
deren Kraft erschöpft ist. $18$ Sorglos sind [dort] die
Gefangenen allesamt, sie hören nicht mehr die Stimme des
Treibers. $19$ Klein und Groβ sind dort gleich, und der Knecht
ist frei von seinem Herrn.
$20$ Warum gibt er dem Mühseligen Licht und Leben den
Verbitterten $21$ - [denen], die auf den Tod warten, und er
ist nicht da, und die nach ihm graben mehr als nach verborgenen
Schätzen, $22$ die sich bis zum Jubel freuen würden, Wonne
hätten, wenn sie das Grab fänden -, $23$ dem Mann, dem sein
Weg verborgen ist und den Gott von allen Seiten eingeschlossen
hat? $24$ Denn [noch] vor meinem Brot kommt mein Seufzen, und
wie Wasser ergieβt sich mein Schreien. $25$ Denn ich fürchtete
einen Schrecken, und er traf mich, und wovor mir bangte, das kam
über mich. $26$ Ich hatte [noch] keine Ruhe und hatte [noch]
keinen Frieden, und ich konnte [noch] nicht ausruhen - da kam
ein Toben.
\4\
Erste Rede des Elifas: Kein Leiden ohne Schuld - Kein
Schuldloser vor Gott.
$1$ Und Elifas von Teman antwortete und sagte:
$2$ Wenn man ein Wort an dich versucht, wird es dich ermüden?
Aber Worte zurückhalten, wer könnte das? $3$ Siehe, du hast
viele zurechtgebracht, und ermattete Hände hast du gestärkt.
$4$ Den Stürzenden richteten deine Worte auf, und wankende
Knie hast du stark gemacht. $5$ Doch nun kommt es an dich, und
es ermüdet dich; es trifft dich, und du bist bestürzt. $6$ Ist
nicht deine [Gottes]furcht deine Zuversicht, die Vollkommenheit
deiner Wege deine Hoffnung? $7$ Bedenke doch: Wer ist [je] als
Unschuldiger umgekommen, und wo sind Rechtschaffene vertilgt
worden? $8$ So wie ich es gesehen habe: Die Unheil pflügen und
Mühsal säen, die ernten es. $9$ Vom Odem Gottes kommen sie um,
und vom Hauch seiner Nase vergehen sie. $10$ Das Brüllen des
Löwen und die Stimme des Junglöwen [sind verstummt], und die
Zähne der jungen Löwen sind ausgebrochen. $11$ Der Löwe kommt
um aus Mangel an Beute, und die Jungen der Löwin werden
zerstreut.
$12$ Ein Wort stahl sich zu mir, und mein Ohr vernahm ein
Geflüster davon. $13$ In beunruhigenden Gedanken, [wie sie]
aus Nachtgesichten [entstehen], wenn tiefer Schlaf auf Menschen
fällt, $14$ kam Schrecken und Zittern über mich, und
durchschauerte alle meine Gebeine. $15$ Und ein Hauch fuhr an
meinem Gesicht vorbei, das Haar an meinem Leib sträubte sich.
$16$ Da stand jemand, und ich erkannte sein Aussehen nicht,
eine Gestalt war vor meinen Augen, ein leises Wehen und eine
Stimme hörte ich:
$17$ Sollte ein Mensch gerechter sein als Gott oder ein Mann
reiner als sein Schöpfer? $18$ Siehe, [selbst] seinen Knechten
vertraut er nicht, und seinen Engeln legt er Irrtum zur Last:
$19$ wieviel mehr denen, die in Lehmhäusern wohnen [und] deren
Grund im Staub ist! Wie Motten werden sie zertreten. $20$ Vom
Morgen bis zum Abend werden sie zerschmettert. Ohne einen Namen
kommen sie um auf ewig. $21$ Nicht wahr? Wird ihr Zeltstrick
an ihnen losgerissen, so sterben sie, und [zwar] nicht in
Weisheit.
\5\
Warnung vor Unmut - Empfehlung von Demut und Beugung vor Gott.
$1$ Ruf doch, ob da einer ist, der dir antwortet! Und an wen
von den Heiligen willst du dich wenden? $2$ Denn den Toren
bringt der Gram um, und den Einfältigen tötet der Eifer. $3$
Ich, ich sah einen Narren Wurzel schlagen, und sogleich
verwünschte ich seine Wohnung. $4$ Fern vom Heil bleiben seine
Kinder, und sie werden im Tor zertreten, und kein Retter ist da.
$5$ Seine Ernte verzehrt der Hungrige, und selbst aus den
Dornhecken holt er sie weg; und nach ihrem Vermögen schnappen
Durstige. $6$ Denn nicht kommt aus dem Staub Unheil hervor,
und aus der Erde sproβt nicht Mühsal; $7$ sondern der Mensch
ist zur Mühsal geboren, wie die Funken nach oben fliegen.
$8$ Ich jedoch würde Gott suchen und meine Sache vor Gott
darlegen, $9$ der Groβes und Unerforschliches tut, Wunder bis
zur Unzahl, $10$ der Regen gibt auf die Fläche der Erde und
Wasser sendet auf die Fläche des Feldes, $11$ um Niedrige in
die Höhe zu bringen; und Trauernde gewinnen hohes Glück. $12$
Er vereitelt die Anschläge der Klugen, und ihre Hände wirken
keinen Erfolg. $13$ Er fängt die Weisen in ihrer Klugheit, und
der Rat der Hinterlistigen überstürzt sich. $14$ Am Tag stoβen
sie auf Finsternis, und am Mittag tasten sie umher wie in der
Nacht. $15$ Und er rettet vor dem Schwert, vor ihrem Mund und
vor der Hand des Starken den Armen. $16$ So wird dem Geringen
Hoffnung, und die Schlechtigkeit schlieβt ihren Mund.
$17$ Siehe, glücklich ist der Mensch, den Gott zurechtweist!
So verwirf [denn] nicht die Züchtigung des Allmächtigen! $18$
Denn er bereitet Schmerz und verbindet, er zerschlägt, und seine
Hände heilen. $19$ In sechs Nöten wird er dich retten, und in
sieben wird dich nichts Böses antasten. $20$ In Hungersnot
kauft er dich los vom Tod und im Krieg von der Gewalt des
Schwertes. $21$ Vor der Geiβel der Zunge wirst du geborgen
sein, und du wirst dich nicht fürchten vor der Verwüstung, wenn
sie kommt. $22$ Über Verwüstung und Hunger wirst du lachen,
und vor dem [Raub]wild der Erde wirst du dich nicht fürchten.
$23$ Denn dein Bund wird mit den Steinen des Feldes sein, und
das [Raub]wild des Feldes wird Frieden mit dir haben. $24$ Und
du wirst erkennen, daβ dein Zelt in Frieden ist. Und schaust du
nach deiner Wohnung, so wirst du nichts vermissen. $25$ Und du
wirst erkennen, daβ deine Nachkommen zahlreich sein werden und
deine Spröβlinge wie das Kraut der Erde. $26$ Du wirst in
Rüstigkeit ins Grab kommen, wie die Garben eingebracht werden zu
ihrer Zeit. $27$ Siehe, dies haben wir erforscht, so ist es.
Höre es doch, und merke du es dir!
Hiobs Antwort: Rechtfertigung seines Klagens mit der Schwere
seines Leidens - Wunsch nach schnellem Tod - Klage über die
Härte der Freunde.
\6\
$1$ Und Hiob antwortete und sagte:
$2$ Würde man meinen Kummer doch wiegen, abwiegen und mein
Verderben gleichzeitig auf die Waage legen! $3$ Denn nun ist
es schwerer als der Sand der Meere; darum sind meine Worte
unbesonnen. $4$ Denn die Pfeile des Allmächtigen sind in mir,
mein Geist trinkt ihr Gift; die Schrecken Gottes greifen mich
an. $5$ Schreit ein Wildesel beim frischen Gras, oder brüllt
ein Stier bei seinem Futter? $6$ Wird Fades ohne Salz
gegessen? Oder ist Geschmack in dem Schleim um den Dotter? $7$
Meine Seele weigert sich, es anzurühren, sie ekelt sich vor der
Krankheit meines Brotes. $8$ O daβ sich doch meine Bitte
erfüllte und Gott mein Verlangen gewährte! $9$ Daβ Gott sich
dazu entschlösse, mich zu zertreten, daβ er seine Hand abzöge
und mich vernichtete! $10$ So wäre noch mein Trost, und ich
würde jubeln in schonungsloser Qual, daβ ich die Worte des
Heiligen nicht verleugnet habe. $11$ Was ist meine Kraft, daβ
ich warten, und was ist mein Ende, daβ ich mich gedulden sollte?
$12$ Ist [denn] meine Kraft die Kraft von Steinen, oder ist
mein Fleisch aus Bronze? $13$ Ist es nicht so, daβ keine
[eigene] Hilfe in mir ist und [jedes] Gelingen aus mir
vertrieben ist?
$14$ Wer seinem Freund die Treue versagt, der verläβt die
Furcht des Allmächtigen. $15$ Meine Brüder haben treulos
gehandelt wie ein Wildbach, wie das Bett der Wildbäche, die
vergehen. $16$ Sie sind trübe von Eis, der Schnee verläuft
sich in sie. $17$ Zur Zeit, wenn sie wasserarm werden,
versiegen sie. Wenn es heiβ wird, sind sie von ihrer Stelle
weggetrocknet. $18$ Es werden Karawanen abgelenkt von ihrem
Weg, ziehen hinauf in die Öde und kommen um. $19$ Die
Karawanen von Tema hielten Ausschau, die Handelszüge von Saba
hofften auf sie. $20$ Sie wurden beschämt, weil sie [auf sie]
vertraut hatten, sie kamen hin und wurden zuschanden. $21$ So
seid ihr jetzt für mich geworden. Ihr seht Schreckliches und
fürchtet euch. $22$ Habe ich etwa gesagt: Gebt mir und macht
mir ein Geschenk von eurem Vermögen $23$ und befreit mich aus
der Hand des Bedrängers und erlöst mich aus der Hand der
Gewalttätigen?
$24$ Belehrt mich, so will ich schweigen! Und macht mir klar,
worin ich geirrt habe! $25$ Wie könnten aufrichtige Worte
kränkend sein! Aber was weist die Zurechtweisung von euch
[schon] zurecht? $26$ Gedenkt ihr Worte zurechtzuweisen? Für
den Wind sind ja die Reden eines Verzweifelnden! $27$ Sogar
eine Waise würdet ihr verlosen, und um euren Freund würdet ihr
feilschen. $28$ Und nun, entschlieβt euch! Wendet euch zu mir!
Ich werde euch doch nicht ins Angesicht lügen. $29$ Kehrt doch
um, damit kein Unrecht geschieht! Ja, kehrt um, noch bin ich
hier im Recht! $30$ Ist etwa Unrecht auf meiner Zunge? Oder
sollte mein Gaumen Verderben nicht spüren?
\7\
Klage über das menschliche Dasein, über sein Los und über Gottes
Unbarmherzigkeit - Bitte an Gott um Schonung.
$1$ Hat der Mensch nicht einen harten Dienst auf Erden, und
sind seine Tage nicht wie die Tage eines Tagelöhners? $2$ Wie
ein Knecht, der sich nach Schatten sehnt, und wie ein
Tagelöhner, der auf seinen Lohn wartet, $3$ so habe ich
gehaltlose Monate erhalten, und Nächte voll Unheil wurden mir
zugeteilt. $4$ Wenn ich mich niederlegte, so sagte ich: Wann
kann ich aufstehen? - Und der Abend zieht sich hin, und ich bin
gesättigt mit Unrast bis zur Morgendämmerung. $5$ Mein Fleisch
ist bekleidet mit Maden und Schorf, meine Haut [ist kaum]
verharscht und eitert [schon wieder]. $6$ Meine Tage gleiten
schneller dahin als ein Weberschiffchen und schwinden ohne
Hoffnung.
$7$ Bedenke, daβ mein Leben ein Hauch ist! Mein Auge wird kein
Glück mehr sehen. $8$ Das Auge dessen, der mich sehen will,
wird mich nicht [mehr] gewahren. [Richtest du] deine Augen auf
mich, so bin ich nicht [mehr]. $9$ Die Wolke schwindet und
vergeht; so steigt, wer in den Scheol hinabfährt, nicht wieder
herauf. $10$ Zu seinem Haus kehrt er nicht mehr zurück, und
seine Stätte weiβ nichts mehr von ihm. $11$ So will auch ich
meinen Mund nicht zurückhalten, will reden in der Bedrängnis
meines Geistes, will klagen in der Verbitterung meiner Seele.
$12$ Bin ich das Meer oder ein Seeungeheuer, daβ du eine Wache
gegen mich aufstellst? $13$ Wenn ich sagte: Mein Bett soll
mich trösten, mein Lager wird meinen Kummer tragen helfen! -
$14$ so entmutigst du mich mit Träumen, und durch Gesichte
schreckst du mich auf, $15$ so daβ meine Seele Erstickung
vorzieht, den Tod [lieber hat] als meine Gebeine. $16$ Ich mag
nicht mehr - nicht ewig will ich leben! Laβ ab von mir! Meine
Tage sind nur noch ein Hauch. $17$ Was ist der Mensch, daβ du
ihn groβ achtest und daβ du dein Herz auf ihn richtest $18$
und ihn alle Morgen heimsuchst, ihn alle Augenblicke prüfst?
$19$ Wie lange [noch] willst du nicht von mir wegblicken,
nicht [einmal solange] von mir ablassen, bis ich meinen Speichel
heruntergeschluckt habe? $20$ Habe ich gesündigt? Was tat ich
dir an, du Wächter der Menschen? Warum hast du mich dir zur
Zielscheibe gesetzt, und [warum] werde ich mir zur Last? $21$
Warum vergibst du [mir] nicht mein Verbrechen und läβt meine
Schuld [nicht] vorübergehen? Denn nun werde ich mich in den
Staub legen, und suchst du nach mir, so bin ich nicht mehr.
\8\
Erste Rede des Bildad: Gottes Gerechtigkeit in Strafe und Güte -
Untergang der Gottlosen - Segen durch Buβe.
$1$ Und Bildad von Schuach antwortete und sagte:
$2$ Wie lange willst du noch so [etwas] künden, und [wie
lange] sollen die Worte deines Mundes heftiger Wind sein? $3$
Wird Gott [etwa] das Recht beugen, oder wird der Allmächtige die
Gerechtigkeit beugen? $4$ Haben deine Söhne gegen ihn
gesündigt, so lieferte er sie ihrer Übertretung aus. $5$ Wenn
du Gott eifrig suchst und zum Allmächtigen um Gnade flehst,
$6$ wenn du lauter und aufrichtig bist, ja, dann wird er
deinetwegen aufwachen und die Wohnung deiner Gerechtigkeit
wiederherstellen. $7$ Und dein Anfang wird gering
[erscheinen], aber dein Ende wird er sehr groβ machen. $8$
Denn befrage doch die vorige Generation und habe acht auf das,
was ihre Väter erforscht haben! - $9$ Denn wir sind von
gestern und erkennen nichts, denn ein Schatten sind unsere Tage
auf der Erde. - $10$ Werden diese dich nicht belehren, es dir
sagen und Worte aus ihrem Herzen hervorbringen?
$11$ Schieβt Schilfrohr auf, wo kein Sumpf ist? Wächst
Riedgras empor ohne Wasser? $12$ Noch treibt es Knospen, noch
ist es nicht zum Schneiden reif, da verdorrt es [schon] vor
allem anderen Gras. $13$ So sind die Pfade aller, die Gott
vergessen; und des Ruchlosen Hoffnung geht zugrunde. $14$
Seine Zuversicht ist ein dünner Faden, und ein Spinngewebe ist
das, worauf er vertraut. $15$ Er stützt sich auf sein Haus,
aber es hält nicht stand; er hält sich daran fest, aber es
bleibt nicht stehen. $16$ Voll Saft steht er in der Sonne, und
seine Triebe ranken sich durch seinen Garten, $17$ über
Steinhaufen schlingen sich seine Wurzeln, zwischen Steinen lebt
er. $18$ Reiβt man ihn aus von seiner Stelle, so verleugnet
sie ihn: Ich habe dich nie gesehen! $19$ Siehe, das ist die
Freude seines Weges; und aus dem Staub sproβt ein anderer hervor
.
$20$ Siehe, Gott wird den Rechtschaffenen nicht verwerfen und
die Übeltäter nicht an die Hand nehmen. $21$ Während er deinen
Mund mit Lachen füllen wird und deine Lippen mit Jubel, $22$
werden die, die dich hassen, mit Schande bekleidet werden, und
das Zelt der Gottlosen wird nicht mehr sein.
\9\
Hiobs Antwort: Unmöglichkeit, bei Gott Recht zu erlangen.
$1$ Und Hiob antwortete und sagte:
$2$ Wahrlich, ich habe erkannt, daβ es so ist. Und wie könnte
ein Mensch vor Gott gerecht sein? $3$ Wenn er Lust hat, mit
ihm in einen Rechtsstreit zu treten, so könnte er ihm auf
tausend nicht eins antworten. $4$ Der weise ist von Herzen und
stark an Kraft - wer trotzte ihm und blieb unversehrt? - $5$
der Berge versetzt, ohne daβ sie es erkennen, indem er sie
umstürzt in seinem Zorn; $6$ der aufstört die Erde von ihrer
Stätte, daβ ihre Säulen erzittern; $7$ der zur Sonne spricht,
und sie geht nicht auf, und die Sterne versiegelt er; $8$ der
die Himmel ausspannt, er allein, und schreitet auf den Wogen des
Meeres; $9$ der den Groβen Bären gemacht hat, den Orion und
das Siebengestirn und die Kammern des Südens; $10$ der so
groβe Dinge tut, daβ sie nicht zu erforschen, und Wundertaten,
daβ sie nicht zu zählen sind.
$11$ Siehe, er geht an mir vorüber, und ich sehe ihn nicht;
und er zieht vorbei, und ich bemerke ihn nicht. $12$ Siehe, er
rafft dahin, und wer will ihm wehren? Wer kann zu ihm sagen: Was
tust du? $13$ Gott wendet seinen Zorn nicht ab, unter ihn
beugten sich die Helfer Rahabs. $14$ Wieviel weniger könnte
ich ihm antworten, meine Worte ihm gegenüber wählen! $15$ Ihm
könnte ich, [auch] wenn ich im Recht wäre, nicht antworten - zu
meinem Richter würde ich um Gnade flehen. $16$ Wenn ich riefe
und er mir antwortete, nicht würde ich glauben, daβ er auf meine
Stimme hörte. $17$ Er, der nach mir greift im Unwetter und
meine Wunden grundlos vermehrt, $18$ er erlaubt mir nicht,
Atem zu holen, sondern sättigt mich mit Bitterkeiten. $19$
Wenn es auf Kraft des Starken ankommt, [so sagt er]: Siehe hier!
- und wenn auf Recht: Wer will mich vorladen? $20$ Wenn ich
auch im Recht wäre, mein Mund würde mich verurteilen; wäre ich
[auch] rechtschaffen, er würde mich schuldig sprechen.
$21$ Rechtschaffen bin ich! Ich kümmere mich nicht um meine
Seele, ich verachte mein Leben, $22$ es ist eins! Darum sage
ich: Den Rechtschaffenen wie den Gottlosen vernichtet er. $23$
Wenn die Geiβel plötzlich tötet, so spottet er über die
Verzweiflung Unschuldiger. $24$ Die Erde ist in die Hand des
Gottlosen gegeben, das Angesicht ihrer Richter verhüllt er. Wenn
er es nicht ist, wer sonst?
$25$ Und meine Tage sind schneller dahin geeilt als ein
Läufer, sie sind entflohen, haben nichts Gutes gesehen. $26$
Sie sind vorübergezogen wie Rohrschiffe, wie ein Adler, der auf
Beute herabstöβt. $27$ Wenn ich denke: Ich will meinen Kummer
vergessen, will ein anderes Gesicht machen und fröhlich blicken,
$28$ so bangt mir vor allen meinen Schmerzen. Ich habe
erkannt, daβ du mich nicht ungestraft läβt.
$29$ Ich muβ ja schuldig sein! Wozu soll ich mich denn für
nichts abmühen? $30$ Wenn ich mich [auch] mit Schneewasser
wüsche und meine Hände mit Lauge reinigte, $31$ dann würdest
du mich in die Grube tauchen, daβ sich meine eigenen Kleider vor
mir ekelten. $32$ Denn er ist nicht ein Mann wie ich, daβ ich
ihm antworten, daβ wir zusammen vor Gericht gehen könnten.
$33$ Es gibt zwischen uns keinen Schiedsmann, daβ er seine
Hand auf uns beide legen könnte. $34$ Er nehme seine Rute von
mir weg, und sein Schrecken ängstige mich nicht mehr, $35$ so
will ich reden und ihn nicht fürchten, denn so [steht es jetzt]
bei mir nicht.
\10\
Klage über Gottes Verhalten in der schweren Heimsuchung.
$1$ Es ekelt mich vor meinem Leben. Ich will meinen Kummer
von mir lassen, will reden in der Bitterkeit meiner Seele.
$2$ Ich sage zu Gott: Verdamme mich nicht! Laβ mich wissen,
warum du mich vor Gericht ziehst! $3$ Ist das gut für dich,
daβ du Unterdrückung übst, daβ du die Arbeit deiner Hände
verwirfst und [dein Licht] über dem Rat der Gottlosen leuchten
läβt? $4$ Hast du Menschenaugen, oder siehst du, wie ein
Mensch sieht? $5$ Sind deine Tage wie die Tage eines Menschen
oder deine Jahre wie die Tage eines Mannes, $6$ daβ du nach
meiner Schuld suchst und nach meiner Sünde forschst, $7$
obwohl du weiβt, daβ ich nicht schuldig bin, und niemand da ist,
der aus deiner Hand retten kann?
$8$ Deine Hände haben mich ganz gebildet und gestaltet um und
um, und [nun] verschlingst du mich! $9$ Bedenke doch, daβ du
mich wie Ton gestaltet hast! Und [jetzt] willst du mich zum
Staub zurückkehren lassen! $10$ Hast du mich nicht
hingegossen wie Milch und wie Käse mich gerinnen lassen? $11$
Mit Haut und Fleisch hast du mich bekleidet und mit Knochen und
Sehnen mich durchflochten. $12$ Leben und Gnade hast du mir
gewährt, und deine Obhut bewahrte meinen Geist. $13$ Doch
dies verbargst du in deinem Herzen, ich habe erkannt, daβ du
dies im Sinn hattest: $14$ Wenn ich sündigte, so würdest du
mich beobachten und mich nicht von meiner Schuld freisprechen.
$15$ Wenn ich schuldig wäre - wehe mir! Und wäre ich im
Recht, dürfte ich mein Haupt [doch] nicht erheben, gesättigt mit
Schande und getränkt mit Elend. $16$ Und richtete es sich
auf, wie ein Löwe würdest du mich jagen und dich wieder als
wunderbar an mir erweisen. $17$ Du würdest neue Zeugen gegen
mich aufstellen und deinen Zorn über mich vergröβern. Ein
ständig sich ablösendes Heer [kämpft] gegen mich.
$18$ Warum hast du mich aus dem Mutterleib hervorgezogen?
Wäre ich doch umgekommen, so hätte mich kein Auge gesehen!
$19$ Als wenn ich nie gewesen, so wäre ich [dann]; vom
Mutterschoβ wäre ich zu Grabe geleitet worden!
$20$ Sind meine Tage nicht [nur noch] wenige? Er lasse [doch]
ab, wende sich von mir, daβ ich ein wenig fröhlich werde,
$21$ ehe ich hingehe - und nicht wiederkomme - in das Land
der Finsternis und des Todesschattens, $22$ in das Land,
schwarz wie die Dunkelheit, [das Land] der Finsternis - [da ist]
keine Ordnung -, und [selbst] das Hellwerden ist [dort] wie
Dunkelheit!
\11\
Erste Rede des Zofar: Widerspruch gegen Hiob - Mahnung zur
rechten Schau und zur Demütigung vor dem allwissenden Gott.
$1$ Und Zofar von Naama antwortete und sagte:
$2$ Soll der Wortschwall nicht beantwortet werden, oder soll
ein Schwätzer recht behalten? $3$ Soll dein Gerede Männer zum
Schweigen bringen, daβ du spotten kannst und niemand [dich]
beschämt? $4$ Und du sagtest: Meine Lehre ist lauter, und ich
war rein in deinen Augen! $5$ Aber - möge Gott doch reden und
seine Lippen gegen dich auftun $6$ und dir die Geheimnisse
der Weisheit mitteilen, daβ sie wie Wunder sind für
[menschliche] Klugheit! Und erkenne [doch], daβ Gott dir [viel]
von deiner Schuld übersieht!
$7$ Kannst du die Tiefen Gottes erreichen oder die
Vollkommenheit des Allmächtigen ergründen? $8$ Himmelhoch
[sind sie] - was kannst du tun? - tiefer als der Scheol - was
kannst du erkennen? $9$ Länger als die Erde ist ihr Maβ und
breiter als das Meer. $10$ Wenn er vorüberzieht und festnimmt
und [zum Gericht] versammelt, wer will ihm dann wehren? $11$
Denn er erkennt die nichtswürdigen Männer und er sieht Böses,
ohne daβ er [darauf] achten muβ. $12$ Kann ein Hohlkopf
Verstand gewinnen und ein Eselhengst als Mensch geboren werden?
$13$ Wenn du dein Herz fest ausrichtest und deine Hände zu
ihm ausbreitest - $14$ wenn Böses in deiner Hand ist, so
entferne es und laβ in deinen Zelten kein Unrecht wohnen! -
$15$ ja, dann wirst du dein Gesicht erheben ohne Makel und
wirst unerschütterlich sein und dich nicht fürchten. $16$
Denn du wirst die Mühsal vergessen, wirst [an sie] denken wie an
vorbeigeflossenes Wasser, $17$ und heller als der Mittag wird
[dein] Leben aufgehen; mag es finster sein - wie der Morgen wird
es werden. $18$ Und du wirst Vertrauen fassen, weil es
Hoffnung gibt; und du wirst Ausschau halten, in Sicherheit dich
niederlegen. $19$ Und du liegst da, und niemand wird dich
aufschrecken, und viele werden deine Gunst suchen. $20$ Aber
die Augen der Gottlosen werden versagen. Und [jede] Zuflucht
geht ihnen verloren, und ihre Hoffnung ist, die Seele
auszuhauchen.
\12\
Hiobs Antwort: Klage über seine Freunde - Schilderung der
verkannten Macht und Weisheit Gottes.
$1$ Und Hiob antwortete und sagte:
$2$ Wirklich, ihr seid [die rechten] Leute, und mit euch wird
die Weisheit aussterben! $3$ Auch ich habe Verstand wie ihr,
ich stehe nicht hinter euch zurück; und wer wüβte dies nicht?
$4$ Zum Gespött für seine Gefährten wird der, der zu Gott
rief - und der antwortete ihm - der Gerechte, Rechtschaffene
[wird] zum Gespött! $5$ Dem Unglück gebührt Verachtung, meint
der Sichere, ein Stoβ denen, deren Fuβ wankt! $6$ Die Zelte
der Verwüster haben Ruhe, und Sicherheit gibt es für die, die
Gott reizen, für den, der Gott in seiner Hand führt. $7$ Aber
frage doch das Vieh, und es wird es dich lehren, oder die Vögel
des Himmels, und sie werden es dir mitteilen, $8$ oder rede
zu der Erde, und sie wird es dich lehren, und die Fische des
Meeres werden es dir erzählen! $9$ Wer erkennt nicht an all
diesem, daβ die Hand des HERRN dies gemacht hat? $10$ In
seiner Hand ist die Seele alles Lebendigen und der Lebensatem
alles menschlichen Fleisches. $11$ Soll das Ohr nicht die
Worte prüfen, [wie] der Gaumen für sich die Speise kostet?
$12$ Bei Greisen ist Weisheit, und Einsicht bei hohem Alter.
$13$ Bei ihm ist Weisheit und Macht, sein ist Rat und
Einsicht. $14$ Siehe, er reiβt nieder, und es wird nicht
wieder gebaut; er schlieβt über jemandem zu, und es wird nicht
wieder geöffnet. $15$ Siehe, er hemmt die Wasser, und sie
trocknen aus; er läβt sie los, und sie kehren das Land um.
$16$ Bei ihm ist Kraft und Erfolg; sein ist, wer irrt und wer
irreführt. $17$ Er führt Ratgeber beraubt weg, und Richter
macht er zu Narren. $18$ Fesseln von Königen löst er auf und
schlingt einen Gurt um ihre Hüften. $19$ Er führt Priester
beraubt weg, und alte Geschlechter bringt er zu Fall. $20$
Bewährten [Sprechern] entzieht er die Sprache, und Alten nimmt
er die Urteilskraft. $21$ Verachtung schüttet er auf Edle,
und den Gürtel der Starken lockert er. $22$ Er enthüllt
Geheimnisvolles aus dem Dunkel, und Finsternis zieht er ans
Licht. $23$ Er macht Völker groβ und vernichtet sie; er
breitet Völker aus, und er leitet sie. $24$ Den Häuptern des
Volkes im Land nimmt er den Mut, und in wegloser Einöde läβt er
sie umherirren. $25$ Sie tappen in der Finsternis, wo kein
Licht ist, und er läβt sie umherirren wie einen Betrunkenen.
\13\
Warnung der Freunde vor der Gerechtigkeit Gottes - Vorsichtige
Aufforderung an Gott zum Rechtsstreit.
$1$ Siehe, das alles hat mein Auge gesehen, mein Ohr gehört
und sich gemerkt. $2$ Soviel ihr erkannt habt, habe ich auch
erkannt, ich stehe nicht hinter euch zurück.
$3$ Doch ich will zum Allmächtigen reden, und vor Gott will
ich mich verteidigen. $4$ Ihr dagegen seid Lügendichter,
Kurpfuscher, ihr alle! $5$ Hieltet ihr euch doch still! Das
würde euch zur Weisheit gereichen. $6$ Hört doch meine
Entgegnung und achtet auf die Streitreden meiner Lippen! $7$
Wollt ihr für Gott Verkehrtes vorbringen und für ihn Falsches
vortragen? $8$ Wollt ihr seine Partei ergreifen, oder wollt
ihr für Gott den Rechtsstreit führen? $9$ Wird es gut für
euch sein, wenn er euch erforscht? Oder wollt ihr ihn täuschen,
wie man einen Menschen täuscht? $10$ Hart zurechtweisen wird
er euch, wenn ihr insgeheim die Person anseht. $11$ Wird
seine Hoheit euch nicht aufschrecken und sein Schrecken nicht
auf euch fallen? $12$ Was ihr vorbringt, sind Sprüche von
Asche, eure Bollwerke erweisen sich als Bollwerke aus Lehm.
$13$ Schweigt still vor mir, und ich will reden, was auch
über mich ergehen möge! $14$ Warum sollte ich mein Fleisch
zwischen meine Zähne nehmen und mein Leben in meine Hand legen?
$15$ Siehe, er wird mich töten, ich will auf ihn warten, nur
will ich meine Wege ihm ins Angesicht rechtfertigen. $16$
Schon das wird mir zur Rettung sein, denn kein Ruchloser darf
vor sein Angesicht kommen. $17$ Hört, hört meine Rede, und
meine Darlegung dringe in eure Ohren! $18$ Siehe doch, ich
habe den Rechtsfall vorgebracht, ich habe erkannt, daβ ich recht
behalten werde. $19$ Wer ist der, der mit mir den
Rechtsstreit führen könnte? Denn dann wollte ich schweigen und
verscheiden.
$20$ Nur zweierlei tue nicht mit mir, dann werde ich mich
nicht vor deinem Angesicht verbergen! $21$ Entferne deine
Hand von mir, und dein Schrecken soll mich nicht ängstigen!
$22$ Dann rufe, und ich will antworten, oder ich will reden,
und du erwidere mir! $23$ Wie viele Sünden und Vergehen habe
ich? Laβ mich mein Verbrechen und mein Vergehen wissen! $24$
Warum verbirgst du dein Angesicht und hältst mich für deinen
Feind? $25$ Willst du ein verwehtes Blatt erschrecken und
einem dürren Halm nachjagen? $26$ Denn Bitteres verhängst du
über mich, und die Sünden meiner Jugend läβt du mich entgelten.
$27$ Und meine Füβe legst du in den Block und beobachtest all
meine Pfade, zeichnest dir die Sohlen meiner Füβe auf, $28$
da ich doch wie Moder zerfalle, wie ein Kleid, das die Motte
zerfressen hat.
\14\
Klage über die Nichtigkeit des Menschenlebens - Vergebliches
Hoffen auf Trost nach dem Tod.
$1$ Der Mensch, von der Frau geboren, lebt kurze Zeit und ist
mit Unruhe gesättigt. $2$ Wie eine Blume kommt er hervor und
verwelkt; und wie der Schatten flieht er und kann nicht
bestehen. $3$ Doch über einen solchen hast du deine Augen
geöffnet, und mich führst du ins Gericht mit dir! $4$ Wie
könnte ein Reiner vom Unreinen [kommen]? Nicht ein einziger!
$5$ Wenn seine [Lebens]tage festgesetzt sind, die Zahl seiner
Monate bei dir [feststeht], wenn du [ihm] sein Ziel gesetzt
hast, daβ er es nicht überschreiten kann, $6$ so blicke weg
von ihm, so daβ er Ruhe hat, damit er wie ein Tagelöhner seinen
Tag genieβen kann!
$7$ Denn für den Baum gibt es Hoffnung. Wird er abgehauen, so
schlägt er wieder aus, und seine Triebe bleiben nicht aus.
$8$ Wenn seine Wurzel [auch] in der Erde altert und sein
Stumpf im Staub abstirbt - $9$ vom Duft des Wassers sproβt er
wieder und treibt Zweige wie ein Pflänzling. $10$ Ein Mann
aber stirbt und liegt da; und ein Mensch verscheidet, und wo ist
er [dann]? $11$ Die Wasser verrinnen aus dem Meer, und der
Fluβ trocknet aus und versiegt; $12$ so legt der Mensch sich
hin und steht nicht wieder auf. Bis der Himmel nicht mehr ist,
erwacht er nicht und wird nicht aufgeweckt aus seinem Schlaf.
$13$ Daβ du mich doch im Scheol verstecktest, mich
verbärgest, bis dein Zorn sich abwendete, mir ein Ziel setztest
und dann meiner gedächtest! $14$ - Wenn ein Mann stirbt, wird
er etwa wieder leben? - Alle Tage meines Dienstes wollte ich
harren, bis meine Ablösung käme! $15$ Du würdest rufen, und
ich würde dir antworten, nach dem Werk deiner Hände würdest du
dich sehnen. $16$ Denn dann würdest du [zwar] meine Schritte
zählen, aber gäbest nicht acht auf meine Sünde! $17$ Mein
Verbrechen wäre versiegelt in einem Bündel, und du würdest meine
Schuld zudecken.
$18$ Und doch, ein Berg stürzt ein, zerfällt, und ein Fels
rückt fort von seiner Stelle. $19$ Wasser zerreibt Steine,
seine Fluten schwemmen den Staub der Erde hinweg. So machst du
die Hoffnung des Menschen zunichte. $20$ Du überwältigst ihn
für immer, und er geht dahin; sein Gesicht entstellst du und
schickst ihn fort. $21$ Kommen seine Kinder zu Ehren, er weiβ
es nicht, und werden sie gering, er achtet nicht auf sie.
$22$ Sein Fleisch fühlt nur noch für sich selber Schmerz, und
seine Seele trauert nur um sich.
\15\
Zweite Rede des Elifas: Er rügt Hiob wegen des ungeziemenden
Redens gegen Gott - Unheil für den Gottlosen.
$1$ Und Elifas von Teman antwortete und sagte:
$2$ Wird [etwa] ein Weiser windige Erkenntnis zur Antwort
geben, oder wird er sein Inneres mit Ostwind füllen? $3$ Wird
er mit nutzlosen Worten streiten oder mit Reden, mit denen er
nicht hilft? $4$ Ja, du zerstörst die Gottesfurcht und
beschneidest die Andacht vor Gott. $5$ Denn deine Schuld
belehrt deinen Mund, und du wählst die Sprache der Listigen.
$6$ Dein Mund verdammt dich und nicht ich; und deine Lippen
sagen gegen dich aus.
$7$ Bist du als Erster der Menschen geboren, oder bist du vor
den Hügeln hervorgebracht worden? $8$ Hörst du im Rat Gottes
zu, und reiβt du die Weisheit an dich? $9$ Was hast du
erkannt, das wir nicht erkannt hätten? Was verstehst du, das uns
nicht bekannt wäre? $10$ Unter uns sind auch Alte, auch
Greise, reicher an Tagen als dein Vater.
$11$ Sind dir die Tröstungen Gottes zu wenig oder ein Wort,
das sanft mit dir [verfuhr]? $12$ Was reiβt dein Herz dich
hin, und was rollen deine Augen, $13$ daβ du dein Schnauben
gegen Gott kehrst und [solche] Reden aus deinem Mund hast
hervorgehen lassen? $14$ Was ist der Mensch, daβ er rein
dastehen könnte, und der von einer Frau Geborene, daβ er gerecht
wäre? $15$ Siehe, [selbst] auf seine Heiligen vertraut er
nicht, und die Himmel sind nicht rein in seinen Augen, $16$
wieviel weniger der Abscheuliche und Verdorbene, der Mann, der
Unrecht trinkt wie Wasser!
$17$ Ich will dir verkünden, höre mir zu! Und was ich
geschaut habe, will ich erzählen, $18$ was die Weisen
mitgeteilt und nicht verhehlt haben von ihren Vätern her -
$19$ ihnen allein war das Land gegeben, und kein Fremder zog
in ihrer Mitte umher -:
$20$ All seine Tage quält sich der Gottlose in Angst, und
eine [kleine] Zahl von Jahren ist dem Gewalttätigen aufbewahrt.
$21$ Der Ton des Schreckens [gellt] in seinen Ohren, im
Frieden kommt der Verwüster über ihn. $22$ Er glaubt nicht
daran, aus der Finsternis zurückkehren zu können, und er ist
ausersehen für das Schwert. $23$ Er irrt umher nach Brot - wo
[ist es]? Er hat erkannt, daβ sich neben ihm [schon] ein
finsterer Tag bereit hält. $24$ Not und Bedrängnis schrecken
ihn, sie überwältigen ihn wie ein König, der zum Sturm bereit
ist. $25$ Denn er hat seine Hand gegen Gott ausgestreckt, und
dem Allmächtigen gegenüber hat er sich überheblich gebärdet.
$26$ Mit [hartem] Nacken rannte er gegen ihn an, mit der
Dicke seiner Schildbuckel. $27$ Denn er hat sein Gesicht
bedeckt mit seinem Fett und Speck an der Lende angesetzt,
$28$ und er bewohnte zerstörte Städte, Häuser, in denen man
nicht wohnen soll, die zu Steinhaufen bestimmt waren. $29$ Er
wird nicht reich, und sein Vermögen hat keinen Bestand; und
nicht neigt sich zur Erde seine Ähre. $30$ Er entweicht der
Finsternis nicht; seine Triebe dörrt die Flamme aus, und er muβ
weichen beim Hauch seines Mundes. $31$ Er verlasse sich nicht
auf Nichtiges, er wird irregeführt; denn Nichtiges wird sein
Eintausch dafür sein. $32$ Wenn sein Tag noch nicht da ist,
so erfüllt es sich [schon]; und sein Sproβ wird nicht grün.
$33$ Wie der Weinstock stöβt er seine unreifen Trauben ab,
und wie der Olivenbaum wirft er seine Blüte ab. $34$ Denn die
Schar des Ruchlosen ist unfruchtbar, und Feuer friβt die Zelte
der Bestechung. $35$ Sie sind schwanger mit Mühsal und
gebären Unrecht, und ihr Inneres bereitet Verrat.
\16\
Hiobs Antwort: Leidiger Trost der Freunde - Trotz
Schuldlosigkeit Behandlung als Sünder durch Gott und Menschen -
Warten auf Gottes Wirken nach dem Tod.
$1$ Und Hiob antwortete und sagte:
$2$ Ich habe so etwas [nun] viel gehört. Mühsame Tröster seid
ihr alle! $3$ Haben die windigen Worte [nun] ein Ende? Oder
was reizt dich, daβ du antwortest? $4$ Auch ich könnte reden
wie ihr. Wäret ihr doch an meiner Stelle! Dann könnte ich mit
Worten gegen euch glänzen und meinen Kopf über euch schütteln.
$5$ Ich wollte euch stärken mit meinem Mund, und das Beileid
meiner Lippen würde ich nicht zurückhalten.
$6$ Wenn ich rede, so wird mein Schmerz nicht gehemmt; und
unterlasse ich es - was weicht [dann] von mir? $7$ Ja, jetzt
hat er mich müde gemacht. Du hast meine ganze Umgebung
menschenleer gemacht. $8$ Und du hast mich gepackt, das zeugt
gegen mich. Und meine Abmagerung tritt als Zeuge gegen mich auf,
mir ins Angesicht sagt sie aus. $9$ Sein Zorn zerfleischte
[mich] und feindete mich an, er knirschte mit seinen Zähnen
gegen mich, als mein Feind schärft er seine Augen gegen mich.
$10$ Ihren Mund haben sie gegen mich aufgesperrt, mit
Schmähung meine Backen geschlagen; gemeinsam rotten sie sich
gegen mich zusammen. $11$ Gott gibt mich dem Ungerechten
preis, und in die Hände der Gottlosen stürzt er mich. $12$
Ich war sorglos, da hat er mich aufgerüttelt, und er packte mich
beim Nacken und zerschmetterte mich, und er stellte mich für
sich als Zielscheibe auf. $13$ Seine Geschosse umfliegen
mich. Er spaltet meine Nieren und empfindet kein Mitleid, er
schüttet meine Galle auf die Erde. $14$ Bresche auf Bresche
reiβt er in mich. Er rennt gegen mich an wie ein Krieger.
$15$ Ich habe Sacktuch über meine Haut genäht und mein Horn
in den Staub gesenkt. $16$ Mein Gesicht glüht vom Weinen, und
auf meinen Wimpern liegt Finsternis, $17$ obwohl keine
Gewalttat an meinen Händen [klebt] und mein Gebet lauter ist.
$18$ Erde, decke mein Blut nicht zu, und für meinen
Klageschrei sei kein Ruheplatz da! $19$ Auch jetzt [noch] -
siehe, im Himmel ist mein Zeuge und mein Fürsprecher in der
Höhe. $20$ Meine Gefährten verspotten mich. Zu Gott blickt
mein Auge mit Tränen auf, $21$ daβ er Recht schaffe für einen
Mann gegen Gott und für einen Menschensohn gegen seine
Gefährten. $22$ Denn es kommen nur noch wenige Jahre, und ich
werde einen Weg gehen, von dem ich nicht zurückkomme.
\17\
Gründe für Gottes Eintreten - Abweisen der Reden der Freunde als
töricht in Erwartung des Grabes.
$1$ Mein Geist ist verstört, meine Tage sind ausgelöscht,
Gräber sind für mich da. $2$ Ist nicht um mich herum Gespött,
und muβ nicht mein Auge auf ihrer Widerspenstigkeit haften?
$3$ Setze doch [ein Pfand] ein, leiste bei dir selbst
Bürgschaft für mich! Wer sonst wird in meine Hand einschlagen?
$4$ Denn ihr Herz hast du der Einsicht verschlossen; darum
wirst du sie nicht erhöhen. $5$ Den Gefährten erzählt man vom
Beuteteilen, aber die Augen der eigenen Kinder verschmachten.
$6$ Und er hat mich hingestellt zum Spott der Leute, und zum
Anspeien ins Gesicht bin ich [gut]. $7$ Und mein Auge ist
trübe geworden vor Gram, und all meine Glieder sind wie ein
Schatten. $8$ Die Aufrichtigen werden sich darüber entsetzen,
und der Schuldlose wird sich über den Ruchlosen aufregen. $9$
Doch der Gerechte wird an seinem Weg festhalten, und der, dessen
Hände rein sind, wird an Stärke zunehmen. $10$ Aber ihr alle,
kommt nur wieder her! Einen Weisen finde ich doch nicht unter
euch. $11$ Meine Tage sind vorüber, zerrissen sind meine
Pläne, die Wünsche meines Herzens. $12$ Die Nacht machen sie
zum Tage, das Licht [soll mir] näher [sein] als die Finsternis.
$13$ Nichts hoffe ich mehr! Der Scheol ist mein Haus, in der
Finsternis habe ich mein Lager ausgebreitet. $14$ Zum Grab
sage ich: Du bist mein Vater! Zur Made: Meine Mutter und meine
Schwester! $15$ Wo ist denn nun meine Hoffnung? Ja, meine
Hoffnung, wer wird sie schauen? $16$ Sie fährt mit mir hinab
zum Scheol, wenn wir miteinander in den Staub sinken.
\18\
Zweite Rede des Bildad: Unwillen über Hiobs anmaβendes Reden -
Unvermeidlicher Untergang der Gottlosen.
$1$ Und Bildad von Schuach antwortete und sagte:
$2$ Wie lange wollt ihr den Worten Grenzen setzen? Nehmt
Einsicht an, und danach wollen wir reden! $3$ Warum werden
wir denn für Vieh gehalten, sind dumm in deinen Augen? $4$
Du, der sich selbst zerfleischt in seinem Zorn, soll um
deinetwillen die Erde verlassen werden, ein Fels von seiner
Stelle wegrücken?
$5$ Doch das Licht des Gottlosen wird erlöschen, und die
Flamme seines Feuers wird nicht leuchten. $6$ Das Licht in
seinem Zelt wird finster, und seine Leuchte erlischt über ihm.
$7$ Gehemmt werden seine kräftigen Schritte, und sein eigener
Ratschlag wird ihn stürzen. $8$ Denn durch seine eigenen Füβe
wird er ins Netz getrieben, und auf Fallgittern geht er einher.
$9$ Das Klappnetz wird seine Ferse festhalten, die Schlinge
ihn packen. $10$ Sein Strick ist verborgen in der Erde und
die Falle für ihn auf dem Pfad. $11$ Ringsum jagen ihn
plötzliche Schrecken auf, sie hetzen ihn auf Schritt und Tritt.
$12$ Sein Reichtum wird zum Hunger, und das Verderben steht
an seiner Seite bereit. $13$ Stücke von seiner Haut wird er
fressen, seine Glieder wird er fressen, der Erstgeborene des
Todes. $14$ Von seinem Zelt, wo er sich sicher fühlte, wird
er fortgerissen, und es treibt ihn zum König der Schrecken.
$15$ Was nicht sein ist, wird in seinem Zelt wohnen, auf
seine Wohnstätte wird Schwefel gestreut werden. $16$ Von
unten werden seine Wurzeln verdorren, und von oben wird sein
Gezweig abwelken. $17$ Sein Andenken verschwindet von der
Erde, und weit und breit hat er keinen Namen. $18$ Man stöβt
ihn aus dem Licht in die Finsternis und verjagt ihn aus der
Welt. $19$ Er wird keinen Sproβ und keinen Nachkommen haben
in seinem Volk, noch wird ein Entkommener in seinen Schutzorten
sein. $20$ Über seinen [Gerichts]tag entsetzen sich die Leute
im Westen, und die im Osten packt Schauder. $21$ Ja, dies
sind sie Wohnungen des Übeltäters, und dies ist die Stätte
dessen, der Gott nicht erkennt.
\19\
Hiobs Antwort: Klage über die Härte der Freunde, über das zu
Unrecht zugefügte Leid - Gewiβheit über den Erlöser.
$1$ Und Hiob antwortete und sagte:
$2$ Wie lange wollt ihr meine Seele plagen und mich mit
Worten zerschlagen? $3$ Schon zehnmal habt ihr mich
beschimpft. Ihr schämt euch nicht, ihr setzt mir hart zu. $4$
Und habe ich auch wirklich geirrt, so bleibt [doch] mein Irrtum
bei mir. $5$ Wenn ihr wirklich gegen mich groβtun und mir
meine Schande vorhalten wollt, $6$ so erkennt denn, daβ Gott
mich irregeführt und sein Fangseil um mich gezogen hat.
$7$ Siehe, ich schreie: Unrecht! - und werde nicht erhört.
Ich rufe um Hilfe, und da ist kein Recht. $8$ Er hat meinen
Weg verschüttet, und ich kann nicht hinüber; und auf meine Pfade
legt er Finsternis. $9$ Meine Ehre hat er mir ausgezogen und
weggenommen die Krone meines Hauptes. $10$ Er hat mich
abgebrochen ringsum, so daβ ich vergehe, und hat meine Hoffnung
ausgerissen wie einen Baum. $11$ Und seinen Zorn lieβ er
gegen mich entbrennen und achtete mich seinen Feinden gleich.
$12$ Vereint kamen seine Scharen und bahnten ihren Weg gegen
mich und lagerten sich rings um mein Zelt. $13$ Meine Brüder
hat er von mir entfernt, und meine Bekannten sind mir ganz
entfremdet. $14$ Meine Verwandten bleiben aus, und meine
Vertrauten haben mich vergessen. $15$ Die Schutzbefohlenen
meines Hauses und meine Mägde halten mich für einen Fremden; ein
Ausländer bin ich in ihren Augen geworden. $16$ Meinen Knecht
rufe ich, und er antwortet nicht; mit meinem Mund muβ ich ihn
anflehen. $17$ Mein Atem ist meiner Frau widerlich, und
stinkend bin ich den Kindern meiner Mutter. $18$ Selbst Buben
verachten mich. Will ich aufstehen, so wenden sie sich von mir
ab. $19$ Alle meine Vertrauten verabscheuen mich, und die,
die ich liebte, haben sich gegen mich gewendet. $20$ Mein
Gebein klebt an meiner Haut und an meinem Fleisch, und an der
Haut meiner Zähne bin ich kahl geworden.
$21$ Erbarmt euch über mich, erbarmt euch über mich, ihr
meine Freunde! Denn die Hand Gottes hat mich getroffen. $22$
Warum jagt ihr mir nach wie Gott und könnt von meinem Fleisch
nicht satt werden? $23$ O daβ doch meine Worte aufgeschrieben
würden! Daβ sie in ein Buch [kämen] und aufgezeichnet würden,
$24$ mit eisernem Griffel und Blei in den Felsen gehauen
würden auf ewig!
$25$ Doch ich weiβ: Mein Erlöser lebt; und als der letzte
wird er über dem Staub stehen. $26$ Und nachdem man meine
Haut so zerschunden hat, werde ich doch aus meinem Fleisch Gott
schauen. $27$ Ja, ich werde ihn für mich sehen, und meine
Augen werden [ihn] sehen, aber nicht als Fremden. Meine Nieren
verschmachten in meinem Innern. $28$ Wenn ihr sagt: Wie
wollen wir ihm nachjagen! - und daβ die Wurzel der Sache in mir
zu finden sei, $29$ so fürchtet euch selbst vor dem Schwert!
Denn das Schwert ist der Grimm, [der über] die Sünden [kommt],
damit ihr erkennt: Es gibt einen Richter.
\20\
Zweite Rede des Zofar: Kurze Freude der Gottlosen vor ihrem
Untergang.
$1$ Und Zofar von Naama antwortete und sagte:
$2$ Darum geben meine beunruhigenden Gedanken mir Antwort,
und deswegen bin ich innerlich erregt: $3$ Eine Mahnung, mir
zur Schande, höre ich, aber der Geist aus meiner Einsicht
antwortet mir.
$4$ Hast du nicht von jeher das erkannt, seitdem [Gott]
Menschen auf die Erde gesetzt hat, $5$ daβ der Jubel der
Gottlosen von kurzer Dauer und die Freude des Ruchlosen für
einen Augenblick war? $6$ Stiege auch seine Hoheit bis zum
Himmel hinauf, und rührte sein Haupt an die Wolken, $7$
gleich seinem Kot vergeht er auf ewig. Die ihn gesehen haben,
sagen: Wo ist er? $8$ Wie ein Traum verfliegt er, und man
findet ihn nicht, und er wird weggescheucht wie ein
Nachtgesicht. $9$ Das Auge hat ihn erblickt, doch nun nicht
mehr, und seine Stätte gewahrt ihn nicht mehr. $10$ Seine
Söhne müssen die Geringen gütig stimmen und seine Hände sein
Vermögen zurückgeben. $11$ Waren seine Glieder [auch] voll
seiner Jugendkraft, so liegt sie [nun] mit ihm im Staub.
$12$ Wenn das Böse auch in seinem Mund süβ schmeckte, er es
verbarg unter seiner Zunge, $13$ es aufsparte und nicht
fahren lieβ und es zurückhielt unter seinem Gaumen, $14$ so
hat sich seine Speise [doch] in seinen Eingeweiden verwandelt.
Viperngalle ist in seinem Innern. $15$ Reichtum hat er
verschlungen, doch erbricht er ihn [wieder]: aus seinem Bauch
treibt Gott ihn heraus. $16$ Viperngift sog er ein; die Zunge
der Giftschlange bringt ihn um. $17$ Nicht sehen darf er die
Bäche, die flutenden Ströme von Honig und Milch. $18$ Den
Ertrag gibt er zurück und darf ihn nicht verschlingen. An dem
Reichtum, den er erwarb, darf er sich nicht freuen. $19$ Denn
die Geringen hat er miβhandelt, verlassen. Häuser hat er an sich
gerissen und wird sie nicht ausbauen. $20$ Denn er kannte
keine Ruhe in seinem Innern; mit seinem Kostbarsten wird er
nicht entrinnen. $21$ Vor seiner Freβgier gab es kein
Entrinnen; darum wird sein Wohlstand keinen Bestand haben.
$22$ In der Fülle seines Überflusses wird er in Bedrängnis
geraten; die Hand jedes Notleidenden wird über ihn kommen.
$23$ Es wird geschehen: Um seinen Bauch zu füllen, wird Gott
die Glut seines Zorns gegen ihn senden und [sie] auf ihn regnen
lassen, auf seinen Körper. $24$ Flieht er vor eisernen
Waffen, durchbohrt ihn der Bogen aus Bronze. $25$ Er zückt
[den Pfeil], da tritt er [schon] aus dem Rücken hervor und das
blitzende Eisen aus seiner Galle! Er geht dahin, Schrecken über
ihm! $26$ Alle Finsternis ist aufgespart für seine
aufgesparten [Schätze]. Ein Feuer, das nicht angefacht ist, wird
ihn fressen. Übel wird es dem ergehen, der in seinem Zelt
übriggeblieben ist. $27$ Der Himmel wird seine Schuld
enthüllen, und die Erde wird sich gegen ihn erheben. $28$ Der
Ertrag seines Hauses muβ fortgehen, wird zerrinnen am Tag seines
Zorns. $29$ Das ist das Teil des gottlosen Menschen von Gott
und das ihm von Gott zugesprochene Erbe.
\21\
Hiobs Antwort: Wohlergehen der Gottlosen - Gottes Willkür im
Austeilen von Glück und Unglück - Kein Gericht über die
Gottlosen.
$1$ Und Hiob antwortete und sagte:
$2$ Höret, hört meine Rede! Das wäre [wahrer] Trost von euch!
$3$ Ertragt mich, dann will ich reden, und nachdem ich
geredet habe, magst du spotten. $4$ [Trage] ich mein Anliegen
etwa einem Menschen vor? Oder warum sollte ich nicht ungeduldig
sein? $5$ Wendet euch zu mir und schaudert und legt die Hand
auf den Mund!
$6$ Ja, wenn ich daran denke, so bin ich bestürzt, und
Erbeben packt mein Fleisch. $7$ Warum leben die Gottlosen,
werden alt, nehmen gar noch zu an Macht? $8$ Ihre Nachkommen
stehen fest vor ihnen so gut wie sie, und ihre Spröβlinge sind
vor ihren Augen. $9$ Ihre Häuser haben Frieden ohne Furcht,
und Gottes Rute ist nicht über ihnen. $10$ Sein Stier
bespringt und verfehlt nicht, seine Kuh kalbt ohne Fehlgeburt.
$11$ Ihre Buben schicken sie aus wie eine Schafherde, und
ihre Kinder hüpfen umher. $12$ Sie erheben [ihre Stimme] bei
Tamburin und Zither und sind fröhlich beim Klang der Flöte.
$13$ Im Glück genieβen sie ihre Tage, und in Ruhe sinken sie
in den Scheol hinab. $14$ Und doch sagen sie zu Gott: Weiche
von uns! Und an der Erkenntnis deiner Wege haben wir kein
Gefallen. $15$ Was ist der Allmächtige, daβ wir ihm dienen
sollten, und was hilft es uns, daβ wir [mit Bitten] in ihn
dringen? $16$ Siehe, steht nicht ihr Glück in ihrer Hand? Der
Rat der Gottlosen sei fern von mir!
$17$ Wie oft erlischt [denn] die Leuchte der Gottlosen und
kommt über sie ihr Verderben, [wie oft] teilt er Vernichtung zu
in seinem Zorn? $18$ [Wie oft denn] werden sie wie Stroh vor
dem Wind und wie Spreu, die der Sturmwind entführt? $19$
Bewahrt Gott sein Unheil auf für seine Kinder? Er vergelte ihm
selbst, daβ er es fühle! $20$ Seine [eigenen] Augen sollen
seinen Verfall sehen, und vom Zorn des Allmächtigen trinke er!
$21$ Denn was liegt ihm an seinem Haus nach ihm, wenn die
Zahl seiner Monate zu Ende ist?
$22$ Kann man Gott Erkenntnis lehren, ihn, der [selbst] die
Erhabenen richtet? $23$ Dieser stirbt in seiner Vollkraft,
ganz ungestört und ruhig. $24$ Seine Schenkel sind voll Fett,
und das Mark seiner Gebeine ist [wohl]getränkt. $25$ Und
jener stirbt mit bitterer Seele und hat nichts vom Glück
genossen. $26$ Zusammen liegen sie im Staub, und Gewürm deckt
sie zu.
$27$ Siehe, ich erkenne eure Gedanken, und die Anschläge, die
ihr gegen mich ersinnt. $28$ Denn ihr sagt: Wo ist das Haus
des Edlen und wo das Zelt, die Wohnung der Gottlosen? $29$
Habt ihr die nicht befragt, die des Weges vorüberziehen? Und
habt ihr ihre Zeichen nicht genau betrachtet: $30$ daβ der
Böse am Tag des Verderbens verschont wird, daβ sie am Tag des
Grimms [in Sicherheit] geleitet werden? $31$ Wer wird ihm ins
Gesicht seinen Weg vorhalten? Und hat er gehandelt, wer wird ihm
vergelten? $32$ Er aber, er wird zu den Gräbern geleitet, und
auf dem Grabhügel hält man Wache. $33$ Süβ sind ihm die
Schollen des Tales. Und alle Welt zieht hinter ihm her, auch vor
ihm ohne Zahl. $34$ Wie tröstet ihr mich nun mit Dunst? Und
von euren Einwänden bleibt [nur] Trug übrig.
\22\
Dritte Rede des Elifas: Hiobs selbstverschuldetes Elend - Aufruf
zur Buβe.
$1$ Und Elifas, der Temaniter, antwortete und sagte:
$2$ Kann denn ein Mann Gott Nutzen bringen? Vielmehr sich
selbst bringt der Einsichtige Nutzen. $3$ Ist es dem
Allmächtigen von Wert, wenn du gerecht bist, oder ist es ihm ein
Gewinn, wenn du deine Wege vollkommen machst? $4$ Für deine
[Gottes]furcht sollte er dich strafen, mit dir vor Gericht
gehen? $5$ Ist nicht deine Bosheit vielfältig und ohne Ende
deine Schuld? $6$ Denn du pflegtest deinen Bruder ohne Grund
zu pfänden, und die Kleider zogest du den Nackten aus. $7$
Nicht [einmal] Wasser gabst du dem Durstigen zu trinken, und dem
Hungrigen verweigertest du Brot. $8$ Und dem Mann der Faust
gehört das Land, und der Angesehene darf darin wohnen. $9$
Die Witwen hast du mit leeren Händen weggeschickt, und die Arme
der Waisen sind zerschlagen. $10$ Darum sind rings um dich
her Fallen, und in Bestürzung versetzt dich plötzlicher
Schrecken $11$ oder Finsternis, [in der] du nichts sehen
kannst, und Wasserflut, die dich bedeckt.
$12$ Ist Gott nicht so hoch wie die Himmel? Schau an die
höchsten Sterne, wie hoch sie sind! $13$ Und du sagst: Was
weiβ denn Gott? Kann er durch das Wolkendunkel hindurch richten?
$14$ Die Wolken sind ihm ein Versteck, daβ er nichts sieht,
und am Kreis des Himmels wandelt er. - $15$ Willst du dem
Pfad der Vorzeit folgen, den die Frevler betraten, $16$ die
gepackt wurden vor der Zeit - ein Strom hat ihr Fundament
weggerissen -, $17$ die zu Gott sagten: Weiche von uns! -
und: Was kann der Allmächtige uns schon tun? $18$ Und er
hatte ihre Häuser [doch] mit Gutem erfüllt! - Aber von mir
bleibe fern der Rat der Gottlosen! - $19$ Die Gerechten sehen
es und freuen sich, und der Schuldlose verspottet sie: $20$
Fürwahr, unsere Gegner sind vernichtet, und ihren Rest hat das
Feuer gefressen!
$21$ Söhne dich doch aus mit ihm und halte Frieden! Dadurch
kommt zu dir [dann] wieder Gutes. $22$ Nimm aus seinem Mund
doch Weisung an und lege seine Worte dir ins Herz! $23$ Wenn
du umkehrst zum Allmächtigen, wirst du wieder aufgebaut, hältst
du Unrecht fern von deinem Zelt. $24$ Wirf in den Staub das
Golderz und in den Kies der Bäche [dein Gold aus] Ofir, $25$
so wird der Allmächtige dir dein Golderz und erlesenes Silber
sein. $26$ Denn dann wirst du am Allmächtigen deine Lust
haben und zu Gott dein Gesicht erheben. $27$ Du wirst zu ihm
beten, und er wird dich erhören; und deine Gelübde wirst du
erfüllen. $28$ Beschlieβt du eine Sache, wird sie zustande
kommen, und über deinen Wegen leuchtet Licht auf. $29$ Denn
er erniedrigt hochmütiges Reden, aber dem mit niedergeschlagenen
Augen hilft er. $30$ [Selbst] den nicht Schuldlosen wird er
retten; ja, er wird gerettet durch die Reinheit deiner Hände.
\23\
Hiobs Antwort: Klage über Gott wegen mangelnder Möglichkeit zur
Rechtfertigung.
$1$ Und Hiob antwortete und sagte:
$2$ Auch heute ist Widerspruch mein Anliegen. Seine Hand
lastet schwer auf meinem Seufzen. $3$ Ach, daβ ich wüβte, wie
ich ihn finden und zu seiner Stätte kommen könnte! $4$ Ich
wollte vor ihm den Rechtsfall darlegen und meinen Mund mit
Beweisgründen füllen. $5$ Ich möchte [gern] die Worte wissen,
die er mir [dann] antwortet, und erfahren, was er zu mir sagt.
$6$ Ob er in der Fülle [seiner] Kraft wohl den Rechtsstreit
mit mir führen würde? Nein, gerade er wird auf mich achten.
$7$ Dort würde sich ein Redlicher mit ihm auseinandersetzen,
und entkommen werde ich für immer meinem Richter. $8$ Siehe,
gehe ich nach vorn, so ist er nicht da, nach hinten, so bemerke
ich ihn nicht, $9$ nach links, sein Tun schaue ich nicht,
biege ich ab nach rechts, so sehe ich ihn nicht.
$10$ Denn er kennt den Weg, der bei mir ist. Prüfte er mich,
wie Gold ginge ich hervor. $11$ An seinem Schritt hat mein
Fuβ festgehalten, seinen Weg habe ich bewahrt und bin nicht
abgewichen. $12$ Vom Gebot seiner Lippen lieβ ich nicht ab;
mehr als es meine Pflicht gewesen wäre, wahrte ich die Worte
seines Mundes. $13$ Doch er, der Eine - wer kann [ihm]
wehren? -, er tut, was seine Seele begehrt. $14$ Ja, er wird
vollenden, was für mich bestimmt ist; und dergleichen hat er
vieles [noch] im Sinn. $15$ Bestürzt bin ich darum vor seinem
Angesicht; erwäge ich es, so bebe ich vor ihm. $16$ Gott hat
mein Herz verzagt gemacht, und der Allmächtige hat mich in
Bestürzung versetzt. $17$ Doch werde ich nicht zum Schweigen
gebracht vor Finsternis, noch von mir selbst, den Dunkelheit
bedeckt.
\24\
Unbegreifliche Nachsicht Gottes mit den Gottlosen.
$1$ Warum sind dem Allmächtigen die Zeiten nicht unbekannt,
aber die, die ihn kennen, schauen seine Tage nicht? $2$ Die
Grenzen verrückt man, raubt eine Herde und bringt sie auf die
Weide. $3$ Den Esel der Waisen treibt man weg, pfändet der
Witwe den Stier. $4$ Man stöβt die Armen vom Weg; miteinander
müssen sich die Elenden des Landes verkriechen. $5$ Siehe,
[scheu wie] Wildesel in der Wüste ziehen sie hinaus an ihr Werk,
suchen nach Nahrung [in] der Steppe als Brot für die Kinder.
$6$ Auf dem Feld ernten sie sein Futter ab und halten im
Weinberg des Gottlosen Nachlese. $7$ Nackt übernachten sie,
ohne Gewand und ohne Decke in der Kälte, $8$ werden vom
Regenguβ der Berge durchnäβt, und ohne Zufluchtsort klammern sie
sich an den Fels. $9$ Man reiβt das Waisenkind [der Mutter]
von der Brust, und den Säugling des Elenden nimmt man als Pfand.
$10$ Nackt müssen sie einhergehen, ohne Gewand, und hungrig
die Garben schleppen. $11$ Zwischen ihren Mauern pressen sie
Öl, treten die Kelter und leiden Durst. $12$ Von der Stadt
her ächzen Sterbende, und die Seele der Durchbohrten schreit
auf. Doch Gott nimmt keinen Anstoβ daran.
$13$ Jene gehören zu den Feinden des Lichtes, nichts wollen
sie von seinen Wegen wissen und bleiben nicht auf seinen Pfaden.
$14$ Vor dem Tageslicht steht der Mörder auf, um den Elenden
und Armen zu töten, und in der Nacht geht der Dieb um. $15$
Auch des Ehebrechers Auge lauert auf die Abenddämmerung, indem
er sagt: Kein Auge kann mich dann erspähen. Und eine Hülle legt
er aufs Gesicht. $16$ Man bricht im Dunkeln in die Häuser
ein. Bei Tage schlieβen sie sich ein, Licht kennen sie nicht.
$17$ Denn ihnen allen miteinander [gilt] als Morgen die
Finsternis; ja, [jeder von ihnen] kennt die Schrecken der
Finsternis.
$18$ Leicht [treibt] er [dahin wie] auf der Oberfläche des
Wassers, verflucht wird ihr Feld auf Erden; nicht [mehr] schlägt
er den Weg zu den Weinbergen ein. $19$ Dürre und Hitze raffen
Schneewasser weg; [so] der Scheol [alle], die gesündigt haben.
$20$ Ihn vergiβt der Mutterleib. Gewürm labt sich an ihm, nie
mehr wird seiner gedacht - so muβ das Unrecht wie Holz
zerbrechen -, $21$ er, der sich mit der Unfruchtbaren
eingelassen hatte, die nicht gebiert, und der Witwe nichts Gutes
erwies. $22$ [Gott] erhält durch seine Kraft den Mächtigen am
Leben; der steht auf, auch [wenn] er [schon] des Lebens nicht
mehr sicher war. $23$ Er gibt ihm Sicherheit, und der weiβ
sich gestützt. Und seine Augen [wachen] über ihren Wegen.
$24$ Sie kommen hoch - ein wenig, dann ist es aus. Sie werden
erniedrigt, wie alle [andern] zusammengerafft und wie der Kopf
der Ähre abgeschnitten. $25$ Ist es denn nicht so? Wer will
mich Lügen strafen und meine Rede zunichte machen?
\25\
Dritte Rede des Bildad: Keine Gerechtigkeit der Menschen vor
Gott.
$1$ Und Bildad, der Schuchiter, antwortete und sagte:
$2$ Herrschaft und Schrecken sind bei ihm, der Frieden
schafft in seinen Höhen. $3$ Gibt es eine Zahl für seine
Scharen? Und über wem erhebt sich nicht sein Licht? $4$ Wie
könnte ein Mensch gerecht sein vor Gott, und wie könnte rein
dastehen ein von der Frau Geborener? $5$ Siehe, selbst der
Mond scheint nicht hell, und die Sterne sind nicht rein in
seinen Augen, $6$ geschweige denn der Mensch, die Made, und
das Menschenkind, der Wurm!
\26\
Hiobs Antwort: Anerkenntnis der unfaβbaren Majestät Gottes.
$1$ Und Hiob antwortete und sagte:
$2$ Wie hast du doch dem beigestanden, der keine Kraft hat,
hast dem Arm geholfen, der nicht stark ist! $3$ Wie hast du
den beraten, der keine Weisheit hat, und Gelingen in Fülle
geoffenbart! $4$ Wem hast du [denn deine] Worte mitgeteilt,
und wessen Geist ist von dir ausgegangen?
$5$ [Vor Gott] beben die Schatten unter den Wassern und ihren
Bewohnern. $6$ Nackt [liegt] der Scheol vor ihm, und keine
Hülle hat der Abgrund. $7$ Er spannt den Norden aus über der
Leere, hängt die Erde auf über dem Nichts. $8$ In seine
Wolken bindet er die Wasser ein, daβ unter ihnen das Gewölk
nicht reiβt. $9$ Er versperrt den Anblick [seines] Thrones,
indem er sein Gewölk darüber ausbreitet. $10$ Eine Schranke
hat er als Kreis über der Fläche der Wasser gezogen bis zum
äuβersten Ende von Licht und Finsternis. $11$ Die Säulen des
Himmels wanken und erstarren vor seinem Drohen. $12$ Durch
seine Kraft hat er das Meer erregt und durch seine Einsicht
Rahab zerschmettert. $13$ Durch seinen Hauch wird der Himmel
heiter, seine Hand hat die schnelle Schlange durchbohrt. $14$
Siehe, das sind die Säume seiner Wege; und wie wenig hören wir
von ihm! Doch den Donner seiner Machttaten, wer versteht ihn?
\27\
Hiobs Schluβrede: Beteuerung seiner Unschuld - Vergängliches
Glück der Gottlosen.
$1$ Und Hiob fuhr fort, seinen Spruch zu erheben, und sagte:
$2$ So wahr Gott lebt, der mir mein Recht entzogen, und der
Allmächtige, der meine Seele bitter gemacht hat, - $3$ ja,
solange noch irgend etwas von meinem Atem in mir ist und Gottes
Hauch in meiner Nase -: $4$ Wenn meine Lippen Unrecht reden
und wenn meine Zunge Trug ausspricht! $5$ Fern sei es von
mir, euch recht zu geben. Bis ich verscheide, lasse ich meine
Rechtschaffenheit nicht von mir weichen. $6$ An meiner
Gerechtigkeit halte ich fest und werde sie nicht fahren lassen;
mein Herz schmäht nicht einen von meinen Tagen. $7$ Meinem
Feind ergehe es wie dem Gottlosen und [dem], der gegen mich
auftritt, wie dem Übeltäter. $8$ Denn was ist des Ruchlosen
Hoffnung, wenn sein Leben ein Ende findet, wenn Gott seine Seele
nimmt? $9$ Wird Gott sein Hilfegeschrei hören, wenn die Not
über ihn kommt? $10$ Oder wird er an dem Allmächtigen seine
Lust haben, Gott anrufen zu jeder Zeit?
$11$ Ich will euch belehren über Gottes Tun, was der
Allmächtige im Sinn hat, nicht verhehlen. $12$ Siehe, ihr
selbst habt es alle geschaut, warum denn schwatzt ihr so
nichtiges Zeug? $13$ Dies ist das Los des gottlosen Menschen
bei Gott und das Erbe der Gewalttätigen, das sie vom
Allmächtigen empfangen: $14$ Wenn seine Söhne zahlreich
werden, dann für das Schwert, und seine Spröβlinge können sich
nicht satt essen an Brot. $15$ Seine Übriggebliebenen werden
vom Tod begraben, und seine Witwen weinen nicht. $16$ Wenn er
[auch] Silber aufschüttet wie Staub und Kleider aufstapelt wie
Lehm, - $17$ er stapelt sie [zwar] auf, aber der Gerechte
bekleidet sich [damit], und das Silber teilt der Schuldlose auf.
$18$ Er hat sein Haus gebaut wie die Motte und der Laubhütte
gleich, die ein Wächter [sich] macht. $19$ Reich legt er sich
hin, und nichts ist ihm genommen. Er schlägt die Augen auf, da
ist es nicht mehr. $20$ Wie Wasser erreichen ihn jähe
Schrecken, des Nachts entführt ihn ein Sturmwind. $21$ Der
Ostwind hebt ihn empor, daβ er dahinfährt, und reiβt ihn weg von
seiner Stätte. $22$ Er stürzt sich auf ihn ohne Schonung; vor
seiner Gewalt will er flüchtend entfliehen. $23$ Man klatscht
über ihn in die Hände und pfeift seinetwegen von seiner Stätte
aus.
\28\
Natürlicher Zugang zu den Schätzen der Erde, aber kein Zugang
zur Weisheit als nur durch Gottesfurcht.
$1$ Ja, für Silber gibt es einen Fundort und eine Stelle für
Gold, wo man es auswäscht. $2$ Eisen wird aus dem Erdreich
hervorgeholt, und Gestein schmilzt man zu Kupfer. $3$ Man
setzt der Finsternis ein Ende und durchforscht bis zur äuβersten
Grenze das Gestein der Dunkelheit und Finsternis. $4$ Man
bricht einen Schacht fern von dem [droben] Wohnenden. Vergessen
von dem Fuβ [, der oben geht], baumeln sie, fern von den
Menschen schweben sie. $5$ Die Erde, aus der das Brot
hervorkommt, ihr Unteres wird umgewühlt wie vom Feuer. $6$
Ihr Gestein ist die Fundstätte des Saphirs, und Goldstaub
[findet sich] darin. $7$ Ein Pfad, den der Raubvogel nicht
kennt und den das Auge der Königsweihe nicht erblickt hat, -
$8$ nie hat das stolze Wild ihn je betreten, der Löwe ist auf
ihm nicht geschritten. $9$ Nach dem harten Gestein streckt
man seine Hand aus, wühlt die Berge um von Grund auf. $10$ In
die Felsen treibt man Stollen, und allerlei Kostbares sieht das
Auge. $11$ Die Sickerstellen von Wasseradern dämmt man ein,
und Verborgenes zieht man hervor ans Licht.
$12$ Aber die Weisheit, wo kann man sie finden, und wo ist
denn die Fundstätte der Einsicht? $13$ Kein Mensch erkennt
ihren Wert, und im Land der Lebendigen wird sie nicht gefunden.
$14$ Die Tiefe sagt: In mir ist sie nicht! - und das Meer
sagt: Nicht bei mir! $15$ Geläutertes Gold kann für sie nicht
gegeben und Silber nicht abgewogen werden als Kaufpreis für sie.
$16$ Sie wird nicht aufgewogen mit Gold aus Ofir, mit
kostbarem Schoham-Stein oder Saphir. $17$ Gold und Glas sind
ihr nicht vergleichbar, noch läβt sie sich eintauschen gegen ein
goldenes Gerät. $18$ Korallen und Bergkristall brauchen gar
nicht erwähnt zu werden; und ein Beutel [voller] Weisheit ist
mehr [wert] als [ein Beutel voller] Perlen. $19$ Nicht
vergleichbar mit ihr ist Topas aus Kusch; mit dem reinsten Gold
wird sie nicht aufgewogen. $20$ Die Weisheit nun, woher kommt
sie, und wo denn ist die Fundstätte der Einsicht? $21$
Verhüllt ist sie vor den Augen alles Lebendigen, und vor den
Vögeln des Himmels ist sie verborgen. $22$ Der Abgrund und
der Tod sagen: [Nur] vom Hörensagen haben wir mit unsern Ohren
von ihr gehört.
$23$ Gott ist es, der Einsicht hat in ihren Weg, und er kennt
ihre Stätte. $24$ Denn nur er blickt bis zu den Enden der
Erde. Unter dem ganzen Himmel schaut er aus, $25$ um dem Wind
ein Gewicht zu bestimmen; und die Wasser begrenzte er mit einem
Maβ. $26$ Als er dem Regen eine Ordnung bestimmte und einen
Weg der donnernden Gewitterwolke, $27$ da sah er sie und
verkündigte sie, er stellte sie hin und erforschte sie auch.
$28$ Und zu dem Menschen sprach er: Siehe, die Furcht des
Herrn, sie ist Weisheit, und vom Bösen weichen, [das] ist
Einsicht.
\29\
Hiobs Selbstgespräch: Sein früheres Glück, Gottes Segen und
Anerkennung seitens der Menschen.
$1$ Und Hiob fuhr fort, seinen Spruch zu erheben, und sagte:
$2$ O daβ ich wäre wie in den früheren Monaten, wie in den
Tagen, da Gott mich behütete! - $3$ als seine Leuchte über
meinem Haupt schien, als ich bei seinem Licht durch die
Finsternis ging; $4$ wie ich war in den Tagen meiner Jugend,
als über meinem Zelt Gottes Rat [waltete], $5$ als der
Allmächtige noch mit mir war, meine Söhne mich umgaben; $6$
als meine Schritte sich in Dickmilch badeten, und der Fels neben
mir Bäche von Öl ausgoβ! $7$ Ging ich durch das Tor in die
Stadt hinauf, stellte ich meinen Sitz auf dem [öffentlichen]
Platz auf. $8$ Sahen mich [dann] die jungen Männer, so
verbargen sie sich, und die Greise erhoben sich, blieben stehen.
$9$ Die Obersten hielten die Worte zurück und legten die Hand
auf ihren Mund. $10$ Die Stimme der führenden Männer
verstummte, und ihre Zunge klebte an ihrem Gaumen. $11$ Hörte
[mich] ein Ohr, so pries es mich glücklich, und sah [mich] ein
Auge, so legte es Zeugnis für mich ab. $12$ Denn ich befreite
den Elenden, der um Hilfe rief, und die Waise, die keinen Helfer
hatte. $13$ Der Segenswunsch des Mutlosen kam auf mich, und
das Herz der Witwe lieβ ich jauchzen. $14$ Ich kleidete mich
in Gerechtigkeit, mich bekleidete wie ein Oberkleid und Kopfbund
mein Recht. $15$ Auge wurde ich dem Blinden, und Fuβ dem
Lahmen war ich! $16$ Ein Vater war ich für die Armen, und den
Rechtsstreit dessen, den ich nicht kannte, untersuchte ich.
$17$ Und ich zerschmetterte die Kinnladen des Übeltäters, und
seinen Zähnen entriβ ich die Beute. $18$ Und ich sagte [mir]:
Mit meinem Nest werde ich verscheiden und wie der Phönix meine
Tage zahlreich machen. $19$ Meine Wurzel wird geöffnet sein
zum Wasser hin, und der Tau wird auf meinem Gezweig übernachten.
$20$ Meine Ehre wird frisch bei mir bleiben, und mein Bogen
in meiner Hand wird sich verjüngen.
$21$ Man hörte mir zu und wartete und verhielt sich still
gegenüber meinem Rat. $22$ Hatte ich geredet, so sagte man
nichts mehr [dagegen], und auf sie träufelte meine Rede. $23$
Und sie warteten auf mich wie auf Regen und sperrten ihren Mund
auf [wie] nach Spätregen. $24$ Lächelte ich denen zu, die
kein Vertrauen hatten, dann nahmen sie das Leuchten meines
Gesichts auf. $25$ Ich wählte für sie den Weg aus und saβ als
Haupt und thronte wie ein König unter der Kriegsschar wie einer,
der Trauernde tröstet.
\30\
Sein jetziges Elend, Verachtung durch die Menschen, Gottes
feindliche Gesinnung - Berechtigung zur Klage.
$1$ Jetzt aber lachen sie über mich, die jünger sind als ich
an Jahren, bei denen ich es abgelehnt hätte, ihre Väter den
Hunden meiner Herde beizugesellen. $2$ Wozu sollte mir auch
die Kraft ihrer Hände [dienen]? Die Rüstigkeit ist bei ihnen
[jedoch] verloren. $3$ Durch Mangel und Hunger unfruchtbar -
sie, die die [Wurzeln der] Wüste abnagen - sind sie Menschen der
Öde und Verödung [geworden], $4$ sie, die Salzkraut pflücken
am Gesträuch und deren Brot die Ginsterwurzel ist. $5$ Aus
der Gemeinschaft werden sie vertrieben. Man schreit über sie wie
über den Dieb. $6$ Am Abhang der Bachtäler müssen sie wohnen,
in Erdlöchern und Felsen[höhlen]. $7$ Zwischen Sträuchern
schreien sie, unter Unkraut finden sie sich zusammen. $8$
Gottloses Volk, ja, Gesindel ohne Namen, sind sie aus dem Land
hinausgepeitscht worden.
$9$ Und nun bin ich ihr Spottlied geworden, ich wurde für sie
zum Gerede. $10$ Sie verabscheuen mich, haben sich von mir
entfernt, und nicht mit Speichel für mein Gesicht gespart.
$11$ Denn er hat meine Bogensehne gelöst und mich gedemütigt,
so daβ sie vor mir den Zügel schieβen lassen. $12$ Zu meiner
Rechten erhebt sich die Brut. Sie stoβen meine Füβe weg und
schütten gegen mich ihre Unheilsdämme auf. $13$ Sie reiβen
meinen Pfad auf, helfen zu meinem Untergang, und niemand hält
sie dabei auf. $14$ Wie durch eine breite Bresche kommen sie,
unter Krachen wälzen sie sich heran. - $15$ Plötzlicher
Schrecken hat sich gegen mich gewandt, er jagt wie der Wind
meiner Würde nach; und wie eine Wolke ist meine Rettung
vorübergezogen.
$16$ Und nun zerflieβt in mir meine Seele, die Tage des
Elends packen mich. $17$ Nachts bohrt es mir meine Knochen
aus, und die an mir nagenden [Schmerzen] ruhen nicht. $18$
Mit gewaltiger Kraft packt er mein Gewand, wie der Kragen meines
Leibrocks schnürt er mich ein. $19$ Er hat mich in den Dreck
geworfen, so daβ ich dem Staub und der Asche gleich geworden
bin. $20$ Ich schreie zu dir, und du antwortest mir nicht.
Ich stehe da, doch du achtest nicht auf mich. $21$ In einen
Grausamen verwandelst du dich mir, mit der Stärke deiner Hand
feindest du mich an. $22$ Du hebst mich auf den Wind, du läβt
mich [auf ihm] reiten und mich zergehen im Krachen [des
Gewitters]. $23$ Denn ich habe es erkannt, zum Tod führst du
mich zurück und in das Versammlungshaus aller Lebendigen.
$24$ Doch streckt man unter Trümmern nicht die Hand [nach
Rettung] aus, oder [erhebt man] bei seinem Untergang [nicht] ein
Hilfegeschrei deswegen? $25$ Oder weinte ich nicht über den,
der harte Tage hatte, hatte meine Seele mit dem Armen [denn
kein] Mitgefühl? $26$ Ja, Gutes erwartete ich, und es kam
Böses. Und ich harrte auf Licht, und es kam Dunkelheit. $27$
Meine Eingeweide sind zum Sieden gebracht und haben keine Ruhe.
Tage des Elends sind mir entgegengetreten. $28$ Trauernd gehe
ich einher ohne Sonne. Ich stehe auf in der Versammlung [und]
schreie um Hilfe. $29$ Ich bin ein Bruder geworden den
Schakalen und ein Gefährte den Strauβenhennen. $30$ Meine
Haut ist schwarz geworden [und löst sich] von mir ab, und mein
Gebein brennt vor [Fieber]hitze. $31$ Und so ist meine Zither
zur Trauerklage geworden und meine Flöte zur Stimme der
Weinenden.
\31\
Sein unsträfliches Verhalten gegen Gott und Menschen -
Bereitschaft mit Gott zu rechten.
$1$ Einen Bund habe ich mit meinen Augen geschlossen. Wie
hätte ich da auf eine Jungfrau [lüstern] blicken sollen? $2$
Denn was wäre [dafür] die Zuteilung von Gott droben gewesen und
das Erbteil vom Allmächtigen in den Höhen? $3$ Ist nicht
Verderben für den Übeltäter [bestimmt] und Miβgeschick für die,
die Unrecht tun? $4$ Sieht er nicht meine Wege und zählt alle
meine Schritte?
$5$ Wenn ich mit Gehaltlosem umgegangen bin und mein Fuβ zum
Betrug geeilt ist, - $6$ er soll mich auf der Waage der
Gerechtigkeit wiegen, so wird Gott meine Rechtschaffenheit
erkennen! $7$ Wenn mein Schritt vom Weg abgebogen und mein
Herz meinen Augen gefolgt ist und an meinen Händen ein Makel
klebt, $8$ dann möge ich säen und ein anderer essen, und
meine Spröβlinge mögen entwurzelt werden!
$9$ Wenn mein Herz sich wegen einer Frau hat betören lassen
und ich an der Tür meines Nächsten gelauert habe, $10$ [dann]
soll meine Frau für einen anderen mahlen, und andere mögen über
ihr niederknien! $11$ Denn das wäre eine Schandtat und das
eine Schuld, die vor die Richter gehört. $12$ Ja, ein Feuer
wäre es, das bis zum Untergang fräβe und meinen ganzen Ertrag
entwurzeln würde.
$13$ Wenn ich miβachtet habe das Recht meines Knechtes und
meiner Magd in ihrem Rechtsstreit mit mir, $14$ was wollte
ich dann tun, wenn Gott sich erhöbe; und wenn er untersuchte,
was ihm erwidern? $15$ Hat nicht er, der mich im Mutterleib
gemacht hat, [auch] ihn gemacht, und hat nicht einer im
Mutterschoβ uns bereitet?
$16$ Wenn ich Geringen einen Wunsch verweigert habe, die
Augen der Witwe erlöschen lieβ $17$ und meinen Bissen alleine
aβ, so daβ die Waise nichts [mehr] davon essen konnte - $18$
ist sie doch von meiner Jugend an bei mir aufgewachsen wie [bei]
einem Vater, und wie eine Schwester habe ich sie geleitet -,
$19$ wenn ich [ruhig] zusah, wie einer ohne Kleidung
umherirrte und der Arme keine Decke hatte, $20$ wenn seine
Lenden mich nicht segneten und er sich von der Wolle meiner
Lämmer nicht wärmen durfte, $21$ wenn ich [drohend] meine
Hand gegen eine Waise geschwungen habe, weil ich im Tor meinen
Beistand sah, $22$ dann soll mir meine Schulter vom Nacken
fallen, und mein Arm soll vom Gelenk abbrechen! $23$ Denn
schrecklich wäre mir das Verderben Gottes, und seiner Hoheit
könnte ich nicht standhalten.
$24$ Wenn ich das Gold zu meiner Zuversicht gemacht und zum
feinen Gold gesagt habe: Du meine Hoffnung! $25$ Wenn ich
mich freute, daβ mein Vermögen so umfangreich war und daβ meine
Hand Gewaltiges erreicht hatte! $26$ Wenn ich das Licht [der
Sonne] sah, wie sie es leuchten lieβ, und den Mond, wie er
prächtig daherzog, $27$ und mein Herz sich [dann] im Geheimen
betören lieβ und ich Kuβhände warf! $28$ Auch das ist Schuld,
die vor den Richter gehört! Ich hätte ja Gott droben verleugnet.
$29$ Wenn ich mich freute über den Untergang meines Hassers
und aufjauchzte, als Unglück ihn traf! $30$ Nie habe ich ja
meinem Gaumen erlaubt zu sündigen, mit einem Fluch dessen Seele
zu fordern.
$31$ Wenn die Männer in meinem Zelt nicht bezeugt haben: Wer
wäre wohl nicht von seinem Fleisch satt geworden! $32$ Der
Fremde muβte nicht im Freien übernachten, ich öffnete dem
Wanderer meine Tür.
$33$ Wenn ich wie Adam meine Vergehen zugedeckt habe, um
meine Schuld in meiner Brust zu verbergen, $34$ weil ich etwa
erschrocken gewesen wäre [vor] der groβen Menge und die
Verachtung der Sippen mich niedergeschmettert hätte, so daβ ich
mich still verhalten hätte, nicht zur Türe hinausgegangen wäre!
$35$ Ach hätte ich doch einen, der auf mich hörte, - hier ist
meine Unterschrift! Der Allmächtige antworte mir! [Wo ist] die
[Klage]schrift, die mein Rechtsgegner geschrieben hat? $36$
Wahrlich, ich würde sie auf meine Schulter heben, sie mir um
[den Kopf] winden als Kranz. $37$ Ich würde ihm über die Zahl
meiner Schritte Auskunft geben, wie ein Fürst würde ich ihm
nahen.
$38$ Wenn gegen mich mein Ackerboden Anklage erhob und seine
Furchen miteinander weinten, $39$ wenn ich seinen Ertrag,
ohne zu bezahlen, verzehrt habe und die Seele seiner Besitzer
zum Keuchen brachte, $40$ [dann] soll statt Weizen
Dorngestrüpp hervorkommen und anstelle von Gerste Unkraut!
Zu Ende sind die Worte Hiobs.
\32\
Erste Rede des Elihu: Bisherige Zurückhaltung und
Unparteilichkeit - Aufforderung an Hiob zur Stellungnahme.
$1$ Und jene drei Männer hörten auf, dem Hiob zu antworten,
weil er in seinen Augen gerecht war. $2$ Da entbrannte der
Zorn Elihus, des Sohnes Barachels, des Busiters, von der Sippe
Ram. Gegen Hiob entbrannte sein Zorn, weil er sich Gott
gegenüber im Recht betrachtete. $3$ Und gegen seine drei
Freunde entbrannte sein Zorn, weil sie keine Antwort gefunden
und Hiob [doch] für schuldig erklärt hatten. $4$ Elihu aber
hatte sich Hiob gegenüber zurückgehalten mit Reden, weil jene
die älteren an Jahren waren als er. $5$ Und als Elihu sah,
daβ keine Antwort [mehr] in dem Mund der drei Männer war, da
entbrannte sein Zorn. $6$ Und Elihu, der Sohn des Barachel,
der Busiter, hob an und sagte:
Ich bin der Jüngste an Jahren, und ihr seid Greise. Darum hatte
ich Angst und fürchtete mich, euch mein Wissen zu verkünden.
$7$ Ich sagte [mir]: Mag [erst] das Alter reden, soll die
Menge der Jahre Weisheit erkennen lassen! $8$ Jedoch - es ist
der Geist im Menschen und der Atem des Allmächtigen, der sie
verständig werden läβt. $9$ Nicht [nur] die Betagten sind die
Weisen, noch verstehen [stets] die Alten, was recht ist. $10$
Darum sage ich: Hört mir zu! Auch ich will mein Wissen
verkünden. $11$ Siehe, ich wartete auf eure Worte, horchte
auf eure einsichtigen [Reden], bis ihr [die rechten] Worte
ausfindig gemacht hättet. $12$ Und ich wandte euch meine
Aufmerksamkeit zu, doch siehe, keiner war da, der Hiob widerlegt
hätte, [keiner] von euch, der seine Worte erwidert hätte.
$13$ Daβ ihr [aber ja] nicht sagt: Wir haben Weisheit
gefunden; Gott kann ihn aus dem Felde schlagen, nicht ein
Mensch! $14$ Er hat ja nicht an mich [seine] Worte gerichtet,
und mit euren Worten werde ich ihm nicht erwidern. - $15$ Sie
sind bestürzt, sie antworten nicht mehr, die Worte lassen sie im
Stich. $16$ Soll ich da warten, weil sie nicht reden, weil
sie dastehen [und] nicht mehr antworten? $17$ Auch ich will
meinerseits mein Teil erwidern, auch ich will mein Wissen
verkünden. $18$ Denn erfüllt bin ich mit Worten; der Geist in
meinem Innern bedrängt mich. $19$ Siehe, mein Inneres ist wie
[junger] Wein, der nicht geöffnet ist; gleich neu [gefüllten]
Schläuchen will es bersten. $20$ Ich muβ reden, damit ich
Luft bekomme, ich will meine Lippen auftun und antworten.
$21$ Für keinen werde ich Partei ergreifen, und keinem
Menschen werde ich schmeicheln! $22$ Denn ich verstehe mich
nicht aufs Schmeicheln ; sonst würde mein Schöpfer mich [wohl]
bald dahinraffen.
\33\
$1$ Du aber, Hiob, höre doch meine Reden, und all meine Worte
nimm zu Ohren! $2$ Sieh doch, ich habe meinen Mund aufgetan,
meine Zunge redet in meinem Gaumen. $3$ Geradheit meines
Herzens - [das] sind meine Worte, und lauter künden meine Lippen
Erkenntnis. $4$ Der Geist Gottes hat mich gemacht, und der
Atem des Allmächtigen belebt mich. $5$ Wenn du kannst, gib
mir Antwort, bring [sie] vor, stelle dich vor mich hin! $6$
Siehe, ich bin vor Gott soviel wie du, vom Lehm [nur]
abgekniffen bin auch ich. $7$ Siehe, Angst vor mir braucht
dich nicht zu erschrecken, und mein Drängen wird nicht schwer
auf dir lasten.
\33\
Abwehr der Anklagen Hiobs gegen Gott - Gottes Zucht zum Heil der
Seele - Aufforderung zur Stellungnahme oder zum Zuhören.
$8$ Du sagtest doch vor meinen Ohren - und den Laut [deiner]
Worte höre ich [noch] -: $9$ Lauter bin ich, ohne ein
Vergehen. Rein bin ich und habe keine Schuld. $10$ Siehe, er
erfindet Anlässe zum Widerstand gegen mich, er hält mich für
seinen Feind. $11$ Er legt meine Füβe in den Block, überwacht
alle meine Pfade. - $12$ Siehe, darin bist du nicht im Recht,
antworte ich dir; denn Gott ist gröβer als ein Mensch.
$13$ Warum rechtest du mit ihm, weil er auf all seine Worte
keine Antwort gibt? $14$ Doch auf eine Weise redet Gott und
auf eine zweite, und man wird es nicht gewahr. $15$ Im Traum,
im Nachtgesicht, wenn tiefer Schlaf auf die Menschen fällt, im
Schlummer auf dem Lager, $16$ dann öffnet er das Ohr der
Menschen und bestätigt die Warnung für sie, $17$ um den
Menschen von [seinem] Tun abzuwenden und den Hochmut vom Mann
abzuhauen, $18$ um seine Seele zurückzuhalten von der Grube
und sein Leben davon, in den Spieβ zu rennen.
$19$ Auch wird er gezüchtigt durch Schmerzen auf seinem
Lager, und ununterbrochen [währt] der Streit in seinen Gebeinen.
$20$ Und sein Leben verabscheut das Brot und seine Seele die
Lieblingsspeise. $21$ Sein Fleisch vergeht, ist unansehnlich,
und fleischlos sind seine Knochen, die [sonst] nicht zu sehen
waren. $22$ Und seine Seele nähert sich der Grube und sein
Leben den Todesboten.
$23$ Wenn er da einen Engel bei sich hat, einen Mittler,
einen von den Tausend, der dem Menschen seine Pflicht mitteilen
soll, $24$ so wird der sich über ihn erbarmen und sprechen:
Befreie ihn, damit er nicht in die Grube hinabfährt! Ich habe
Lösegeld [für ihn] gefunden. $25$ Sein Fleisch wird frischer
sein als in der Jugendkraft; er wird zurückkehren zu den Tagen
seiner Jugend. $26$ Er wird zu Gott flehen, und der wird ihn
gnädig annehmen, und er darf sein Angesicht schauen mit Jubel;
und Gott wird dem Menschen seine Gerechtigkeit zurückgeben.
$27$ Er wird vor den Menschen singen und sagen: Ich hatte
gesündigt und das Rechte verkehrt, und er hat mir nicht
vergolten. $28$ Er hat meine Seele erlöst vor dem Abstieg in
die Grube, und mein Leben darf das Licht schauen.
$29$ Siehe, das alles tut Gott zweimal, dreimal mit dem Mann,
$30$ um seine Seele von der Grube zurückzuholen, damit er vom
Licht des Lebens erleuchtet werde. $31$ Merke auf, Hiob, höre
mir zu! Schweige, und ich will reden! $32$ Wenn du Worte
hast, erwidere mir [etwas]! Rede nur, denn ich wollte dir gern
recht geben! $33$ Wenn [aber] nicht, höre du mir zu!
Schweige, und ich werde dich Weisheit lehren!
\34\
Zweite Rede des Elihu: Gegen Hiobs Reden über die
Ungerechtigkeit Gottes - Keine Rechtsbeugung durch den
Allmächtigen.
$1$ Und Elihu erhob [seine Stimme] und sagte:
$2$ Hört, ihr Weisen, meine Worte und ihr Kundigen, gebt mir
Gehör! $3$ Denn das Ohr prüft die Worte, und der Gaumen
kostet die Speise. $4$ Laβt uns nun prüfen, was recht ist,
laβt uns untereinander erkennen, was gut ist!
$5$ Denn Hiob hat gesagt: Ich bin gerecht, und Gott hat mir
mein Recht entzogen. $6$ Obwohl ich im Recht bin, soll ich
ein Lügner sein. Mein Geschick ist unheilbar, ohne daβ ich
irgend etwas verbrochen hätte. - $7$ Wer ist ein Mann wie
Hiob, der Spott[worte] wie Wasser trinkt $8$ und in
Gemeinschaft mit denen unterwegs ist, die Unrecht tun, und mit
gottlosen Menschen umgeht? $9$ Denn er hat [selbst] gesagt:
Keinen Nutzen hat ein Mann davon, daβ er sich mit Gott
befreundet!
$10$ Darum, ihr Männer mit Verstand, hört mir zu! Fern sei es
von Gott, gottlos zu handeln, und vom Allmächtigen, Unrecht zu
tun! $11$ Sondern des Menschen Tun vergilt er ihm, und nach
eines jeden Weg läβt er es ihn finden. $12$ Ja, wahrlich,
Gott handelt nicht gottlos, und der Allmächtige beugt das Recht
nicht. $13$ Wer hat ihm die Erde anvertraut? Und wer hat den
ganzen Erdkreis hingestellt? $14$ Wenn er sein Herz [nur] auf
sich selbst richtete, seinen Geist und seinen Atem zu sich
zurückzöge, $15$ so würde alles Fleisch insgesamt
verscheiden, und der Mensch zum Staub zurückkehren.
$16$ Und wenn du einsichtig bist, höre dies, schenke der
Stimme meiner Worte Gehör! $17$ Kann denn einer, der das
Recht haβt, die Zügel führen? Oder willst du den Gerechten, den
Gewaltigen für schuldig erklären, ihn, $18$ der zu einem
König sagt `du Ruchloser', und `du Gottloser' zu den Edlen?
$19$ Der für die Obersten nicht Partei ergreift und den
Vornehmen nicht vor dem Geringen berücksichtigt? Denn das Werk
seiner Hände sind sie alle. $20$ In einem Augenblick sterben
sie und mitten in der Nacht. Ein Volk wird in Aufruhr versetzt,
und sie vergehen. Und er beseitigt den Gewalthaber ohne
menschliches Zutun. $21$ Denn seine Augen [wachen] über den
Wegen des Menschen, und all seine Schritte sieht er. $22$ Da
ist keine Dunkelheit und keine Finsternis, worin sich die
Übeltäter verbergen könnten. $23$ Denn er setzt dem Menschen
keine Frist fest, zu Gott vor Gericht zu kommen. $24$ Er
zerschmettert Gewaltige ohne Untersuchung und setzt andere an
ihre Stelle. $25$ Daher achtet er auf ihre Taten und stürzt
sie um über Nacht, daβ sie zermalmt daliegen. $26$ Wie
Gottlose schlägt er sie da, wo alle es sehen, $27$ deshalb,
weil sie von seiner Nachfolge abgewichen sind und all seine Wege
nicht bedacht haben, $28$ so daβ sie das Hilfegeschrei des
Geringen zu ihm hinaufdringen lieβen und er das Hilfegeschrei
der Elenden hörte. $29$ Verhält er sich ruhig, wer darf ihn
für schuldig erklären? Verbirgt er das Angesicht, wer kann ihn
wahrnehmen? Sowohl über einer [ganzen] Nation als auch zugleich
über dem einzelnen [wacht er], $30$ damit nicht ruchlose
Menschen Könige seien, dem Volk zu Fallstricken.
$31$ Soll Gott dir etwa sagen: Ich habe mich geirrt, [doch]
ich will nicht [mehr] böse handeln; $32$ was ich nicht sehe,
lehre du mich; wenn ich Unrecht verübt habe, will ich es nicht
wieder tun? - $33$ Soll nach deinem Sinn er es vergelten, da
du [sein Urteil] ja verwirfst? So muβt du ja wählen, und nicht
ich. Was du erkannt hast, sprich aus! $34$ Männer mit
Verstand werden zu mir sagen und ein weiser Mann, der mir
zuhört: $35$ Hiob redet nicht mit Erkenntnis, und seine Worte
sind ohne Einsicht. $36$ Wohlan, Hiob werde fort und fort
geprüft wegen seiner Einwände nach [der Art von] Männern des
Unheils! $37$ Denn er fügt seiner Sünde Treubruch hinzu, in
unserer Gegenwart klatscht er [sich Beifall] und macht seine
Worte gegen Gott zahlreich.
\35\
Dritte Rede des Elihu: Bedeutung des Tuns des Menschen - Keine
Erhörung bei Gott bei Mangel an Gottesfurcht.
$1$ Und Elihu erhob [seine Stimme] und sagte:
$2$ Hältst du dies für Recht, nennst du [das] `meine
Gerechtigkeit vor Gott', $3$ wenn du fragst, was sie dir
nützt: `Was hilft es mir, daβ ich nicht sündige?' - $4$ Ich
will mit Worten dir erwidern und deinen Gefährten bei dir.
$5$ Blicke zum Himmel und sieh und schaue die Wolken an! Sie
sind höher als du. $6$ Wenn du sündigst, was kannst du ihm
[damit] antun? Werden zahlreich deine Verbrechen, was kannst du
ihm zufügen? $7$ Wenn du gerecht bist, was gibst du ihm, oder
was empfängt er aus deiner Hand? $8$ Den Mann, dir gleich,
[trifft] deine Gottlosigkeit und das Menschenkind deine
Gerechtigkeit.
$9$ Wegen der Menge der Unterdrückung erhebt man
Klagegeschrei. Man ruft um Hilfe wegen der Gewalttätigkeit der
Groβen. $10$ Aber man sagt nicht: Wo ist Gott, mein Schöpfer,
der Lobgesänge gibt in der Nacht, $11$ der uns mehr als die
Tiere der Erde belehrt und uns weiser macht als die Vögel des
Himmels? $12$ Dort schreien sie - doch er antwortet nicht -
wegen des Übermutes der Bösen. $13$ Ja, vergebens! Gott hört
nicht, und der Allmächtige sieht es nicht an. $14$ Nun gar,
wenn du sagst: du kannst ihn nicht sehen! Der Rechtsfall [liegt]
ihm vor, so warte auf ihn! $15$ Und nun, weil sein Zorn
[noch] nicht heimgesucht hat und er sich nicht so sehr um
Albernheiten kümmert, $16$ reiβt Hiob für Nichtiges seinen
Mund auf, macht ohne Erkenntnis viel Worte.
\36\
Vierte Rede des Elihu: Durch Leiden zu Selbsterkenntnis und
Gehorsam - Mahnung an Hiob zur Anerkennung von Gottes Tun.
$1$ Und Elihu fuhr fort und sagte:
$2$ Hab ein wenig Geduld mit mir, und ich will es dir künden!
Denn mehr noch habe ich für Gott zu sagen. $3$ Ich will mein
Wissen von weither holen und meinem Schöpfer Gerechtigkeit
geben. $4$ Ja wahrlich, meine Worte sind keine Lüge; ein
[Mann] mit vollkommenem Wissen [steht] vor dir.
$5$ Siehe, Gott ist gewaltig, doch verwirft er niemanden; er
ist gewaltig an Kraft des Herzens. $6$ Er erhält den
Gottlosen nicht am Leben, und das Recht der Elenden stellt er
[wieder] her. $7$ Nicht wendet er seine Augen von dem
Gerechten, und mit Königen auf dem Thron, da läβt er sie
immerdar sitzen, so daβ sie erhaben sind. $8$ Und wenn sie in
Fesseln geschlagen, in Stricken des Elends gefangen sind, $9$
dann zeigt er ihnen ihr Tun und ihre Vergehen, daβ sie sich
überheblich gebärdeten, $10$ und er öffnet ihr Ohr für Zucht
und sagt [ihnen], daβ sie umkehren sollen vom Unrecht. $11$
Wenn sie hören und sich unterwerfen, vollenden sie ihre Tage im
Glück und ihre Jahre in Annehmlichkeiten. $12$ Wenn sie aber
nicht hören, rennen sie in den Spieβ und verscheiden ohne
Erkenntnis. $13$ Aber die ein ruchloses Herz haben, hegen
Zorn. Sie rufen nicht um Hilfe, wenn er sie fesselt. $14$
Ihre Seele stirbt dahin in der Jugend und ihr Leben im
Jünglingsalter. $15$ Den Elenden errettet er in seinem Elend
und öffnet durch Bedrängnis sein Ohr.
$16$ Auch dich lockt er fort aus dem Rachen der Not,
unbeengte Weite ist dein Platz, und was auf deinen Tisch kommt,
ist reich an Fett. $17$ Bist du aber mit dem Urteil über den
Gottlosen erfüllt, werden Urteil und Rechtsspruch [dich]
ergreifen. $18$ Ja, daβ [deine] Erregung dich nur nicht zum
Höhnen anstiftet und die Gröβe des Lösegeldes dich nicht
verleitet! $19$ Soll dich dein Hilferuf aus der Not
herausbringen und alle Kraftanstrengungen? $20$ Lechze nicht
nach der Nacht, [danach], daβ [ganze] Völker auffahren an ihrer
Stelle! $21$ Hüte dich, wende dich nicht dem Unrecht zu! Denn
Bosheit hast du dem Elend [bereits] vorgezogen.
$22$ Siehe, Gott handelt erhaben in seiner Macht. Wer ist ein
Lehrer wie er? $23$ Wer könnte ihm seinen Weg vorschreiben,
und wer dürfte sagen: Du hast unrecht getan? $24$ Denke
daran, daβ du sein Werk preist, das Menschen besingen! $25$
Alle Menschen schauen es [staunend] an, der Sterbliche erblickt
es aus der Ferne.
\36\
Offenbarung von Gottes Majestät in der Natur - Mahnung zur
Demütigung vor Gott.
$26$ Siehe, Gott ist erhaben, wir aber erkennen es nicht; die
Zahl seiner Jahre, sie ist unerforschlich. $27$ Wenn er die
Wassertropfen heraufzieht, sickern sie durch seinen Nebel
[wieder herab] als Regen, $28$ den die Wolken niederrieseln
[und] träufeln auf die vielen Menschen. $29$ Ja, wenn man gar
das Ausbreiten des Gewölks verstünde, das Donnerkrachen seines
Zeltes! $30$ Siehe, er breitet darüber sein Licht aus, und
die Wurzeln des Meeres bedeckt er. $31$ Ja, in den Wolken
richtet er die Völker, gibt Nahrung im Überfluβ. $32$ Seine
Hände umhüllt er mit dem Blitzstrahl und entbietet ihn gegen
[den], auf den er [ihn] treffen lassen will. $33$ Es kündigt
ihn sein Rollen an, wenn er seinen Zorn gegen Bosheit eifern
läβt.
\37\
$1$ Ja, darüber erbebt mein Herz und fährt auf von seiner
Stelle. $2$ Hört, hört das Toben seiner Stimme und das
Grollen, das aus seinem Mund hervorgeht! $3$ Unter dem ganzen
Himmel läβt er es los und seinen Blitz bis zu den Enden der
Erde. $4$ Nach ihm brüllt der Donner, er läβt es mit seiner
erhabenen Stimme donnern. Und er hält die Blitze nicht zurück,
wenn seine Stimme sich hören läβt. $5$ Gott donnert mit
seiner Stimme wunderbar. Er tut [so] groβe Dinge, und wir
erkennen es nicht. $6$ Denn zum Schnee spricht er: Fall zur
Erde! - und [so auch] zum Regenguβ und zu seinen gewaltigen
Regengüssen. $7$ Auf die Hand eines jeden Menschen setzt er
[sein] Siegel, damit alle Menschen sein Werk erkennen. $8$
Und das Wild geht in sein Versteck und legt sich auf seinen
Lagern nieder. $9$ Aus der Kammer kommt Sturm hervor und aus
den Nordwinden Kälte. $10$ Durch den Atem Gottes gibt es Eis,
und die Weite des Wassers [liegt] in Enge. $11$ Auch mit Naβ
belastet er die Wolke, streut [weit] umher sein lichtes Gewölk.
$12$ Und das [zieht] ringsumher, sich hin und her wendend
nach seiner klugen Steuerung, um auszuführen alles, was er ihnen
gebietet, über der Fläche des Erdkreises. $13$ Sei es zur
Züchtigung, sei es für seine Erde, sei es zur Gnade, er läβt sie
es finden.
$14$ Nimm dieses zu Ohren, Hiob! Steh still und achte auf die
Wundertaten Gottes! $15$ Erkennst du es, wenn Gott ihnen
Auftrag gibt und leuchten läβt das Licht seines Gewölks? $16$
Erkennst du das Schweben der Wolke, die Wunderwerke dessen, der
an Erkenntnis vollkommen ist? $17$ Du, dessen Kleider heiβ
werden, wenn das Land wegen des Südwindes [träge] ruht, $18$
kannst du gleich ihm die Wolkendecke ausbreiten, die fest ist
wie ein gegossener Spiegel? $19$ Laβ uns wissen, was wir ihm
sagen sollen! Nichts können wir vorbringen vor Finsternis.
$20$ Soll ihm gemeldet werden, daβ ich rede? Oder muβ man es
[ihm erst] sagen, daβ [etwas] mitgeteilt wird? $21$ Und jetzt
sieht man das Licht nicht, das durch die Wolken verdunkelt ist;
aber ein Wind fährt daher und fegt den Himmel rein. $22$ Aus
dem Norden kommt ein goldener Schein, um Gott ist furchtbare
Hoheit. $23$ Den Allmächtigen - ihn erreichen wir nicht, den
Erhabenen an Kraft. Und das Recht und die Fülle der
Gerechtigkeit beugt er nicht. $24$ Darum fürchten ihn die
Menschen; er sieht all die Weisheitskundigen nicht an.
\38\
Erste Rede Gottes: Fragen nach dem Urheber der Schöpfung, der
leblosen und belebten Natur.
$1$ Da antwortete der HERR dem Hiob aus dem Sturm und sprach:
$2$ Wer ist es, der den Ratschluβ verdunkelt mit Worten ohne
Erkenntnis? $3$ Gürte doch wie ein Mann deine Lenden! Dann
will ich dich fragen, und du sollst mich belehren!
$4$ Wo warst du, als ich die Erde gründete? Teile es mit,
wenn du Einsicht kennst! $5$ Wer hat ihre Maβe bestimmt, wenn
du es kennst? Oder wer hat über ihr die Meβschnur ausgespannt?
$6$ Worauf sind ihre Sockel eingesenkt? Oder wer hat ihren
Eckstein gelegt, $7$ als die Morgensterne miteinander
jubelten und alle Söhne Gottes jauchzten?
$8$ Wer hat das Meer mit Türen verschlossen, als es
hervorbrach, dem Mutterschoβ entquoll, $9$ als ich Gewölk zu
seinem Gewand machte und Wolkendunkel zu seinen Windeln $10$
und ich ihm meine Grenze zog und Riegel und Türen einsetzte
$11$ und sprach: Bis hierher kommst du und nicht weiter, und
hier soll aufhören der Stolz deiner Wellen?
$12$ Hast du einmal in deinem Leben dem Morgen geboten? Hast
du die Morgenröte ihre Stätte wissen lassen, $13$ damit sie
die Enden der Erde erfasse, so daβ die Gottlosen von ihr
abgeschüttelt werden? $14$ Sie verwandelt sich wie Siegelton,
und alles steht da wie ein Kleid; $15$ und den Gottlosen wird
ihr Licht entzogen, und der erhobene Arm wird zerbrochen.
$16$ Bist du gekommen bis zu den Quellen des Meeres, und hast
du den Urgrund der Tiefe durchwandelt? $17$ Sind dir die Tore
des Todes aufgedeckt worden, und hast du die Tore der Finsternis
gesehen? $18$ Hast du auf die Breiten der Erde geachtet?
Teile es [mir] mit, wenn du das alles erkannt hast!
$19$ Wo ist denn der Weg dahin, wo das Licht wohnt? Und die
Finsternis - wo ist denn ihre Stätte, $20$ so daβ du sie in
ihr Gebiet bringen könntest und daβ dir die Pfade zu ihrem Haus
bekannt wären? $21$ Du hast es [ja] erkannt, denn damals
warst du [schon] geboren, und die Zahl deiner Tage ist groβ!
$22$ Bist du bis zu den Vorräten des Schnees gekommen, und
hast du die Vorräte des Hagels gesehen, $23$ die ich
aufgespart habe für die Zeit der Not, für den Tag des Kampfes
und der Schlacht?
$24$ Wo denn ist der Weg, auf dem das Licht sich verteilt,
der Ostwind sich über die Erde zerstreut? $25$ Wer furchte
der Regenflut einen Wassergraben und einen Weg der donnernden
Gewitterwolke, $26$ um regnen zu lassen auf ein Land ohne
Menschen, auf die Wüste, in der kein Mensch ist, $27$ um zu
sättigen die Öde und Verödung und um hervorsprieβen zu lassen
die Triebe des frischen Grases?
$28$ Hat der Regen einen Vater, oder wer hat die Tautropfen
gezeugt? $29$ Aus wessen Schoβ kam das Eis hervor, und des
Himmels Reif, wer hat ihn geboren, $30$ wenn sich das Wasser
wie in einem Stein versteckt hält und die Fläche der Tiefe fest
gefügt ist?
$31$ Knüpfst du die Bänder des Siebengestirns, oder löst du
die Fesseln des Orion? $32$ Kannst du die Tierkreisbilder
hervortreten lassen zu ihrer Zeit und den Groβen Bären leiten
samt seinen Jungen? $33$ Hast du die Ordnungen des Himmels
erkannt, oder bestimmst du seine Herrschaft auf der Erde?
$34$ Erhebst du deine Stimme zum Gewölk, so daβ der Schwall
des Wassers dich bedeckt? $35$ Entsendest du Blitze, so daβ
sie hinfahren und zu dir sagen: Hier sind wir? $36$ Wer hat
Weisheit in den Ibis gelegt, oder wer hat dem Hahn Verstand
gegeben? $37$ Wer kann in Weisheit die Wolken zählen, und die
Krüge des Himmels - wer kippt sie um, $38$ wenn das Erdreich
hart wird wie gegossenes Metall und die Schollen
aneinanderkleben?
$39$ Erjagst du für die Löwin die Beute, und stillst du die
Gier der jungen Löwen, $40$ wenn sie sich auf [ihren] Lagern
ducken, im Dickicht auf der Lauer sitzen? $41$ Wer stellt dem
Raben sein Futter bereit, wenn seine Jungen zu Gott schreien,
umherirren ohne Nahrung?
\39\
$1$ Kennst du die Wurfzeit der Steinböcke? Beobachtest du das
Kreiβen der Hirschkühe? $2$ Zählst du die Monate, die sie
erfüllen müssen, und kennst du die Zeit ihres Werfens? $3$
Sie kauern sich, lassen ihre Jungen durchbrechen, entledigen
sich ihrer Wehen. $4$ Ihre Kinder werden stark, wachsen auf
im Freien; sie ziehen hinaus und kehren nicht [mehr] zu ihnen
zurück.
$5$ Wer hat den Wildesel frei laufen lassen, und wer hat die
Fesseln des Wildlings gelöst, $6$ dem ich die Steppe zur
Behausung machte und zu seiner Wohnung das salzige Land? $7$
Er lacht über das Getümmel der Stadt, das Geschrei des Treibers
hört er nicht. $8$ Was er auf den Bergen erspäht, ist seine
Weide, und allem Grünen spürt er nach.
$9$ Wird der Büffel dir dienen wollen, oder wird er an deiner
Krippe übernachten? $10$ Hältst du den Büffel in der Furche
an seinem Seil, oder wird er die Talgründe hinter dir her eggen?
$11$ Traust du ihm, weil seine Kraft so groβ ist, und
überläβt du ihm deine Arbeit? $12$ Kannst du dich auf ihn
verlassen, daβ er dein Korn heimbringt und [das Getreide für]
deine Tenne einsammelt?
$13$ Munter schwingt sich der Flügel der Strauβenhenne - ist
es die Schwinge des Storches oder des Falken? $14$ Denn sie
überläβt ihre Eier der Erde und läβt sie auf dem Staub warm
werden. $15$ Und sie vergiβt, daβ ein Fuβ sie zerdrücken und
das Wild des Feldes sie zertreten kann. $16$ Sie behandelt
ihre Jungen hart, als gehörten sie ihr nicht. War ihre Mühe
umsonst, es erschüttert sie nicht. $17$ Denn Gott lieβ sie
die Weisheit vergessen und gab ihr keinen Anteil an der
Einsicht. $18$ Wenn sie dann aber in die Höhe schnellt, lacht
sie über das Roβ und seinen Reiter.
$19$ Gibst du dem Roβ die Kraft, bekleidest du seinen Hals
mit einer Mähne? $20$ Bringst du es zum Springen wie die
Heuschrecke? Schrecklich ist sein hoheitsvolles Schnauben.
$21$ Es scharrt in der Ebene und freut sich an [seiner]
Kraft; es zieht aus, den Waffen entgegen. $22$ Es lacht über
die Furcht und erschrickt nicht und kehrt vor dem Schwert nicht
um. $23$ Über ihm klirrt der Köcher, die Klinge von Speer und
Krummschwert. $24$ Mit Ungestüm und Erregung schlürft es den
Boden und läβt sich nicht halten, wenn das Horn ertönt. $25$
Sooft das Horn erklingt, ruft es: Hui! Und [schon] von weitem
wittert es die Schlacht, das Lärmen der Obersten und das
Kriegsgeschrei.
$26$ Schwingt sich kraft deiner Einsicht der Habicht empor,
breitet seine Flügel aus für den Südwind? $27$ Oder erhebt
sich auf deinen Befehl der Geier so hoch und baut in der Höhe
sein Nest? $28$ Den Fels bewohnt er und horstet [dort] auf
der Felsenzacke und der Bergfeste. $29$ Von dort aus erspäht
er Nahrung, in die Ferne blicken seine Augen. $30$ Seine
Jungen gieren nach Blut, und wo Erschlagene sind, da ist er.
\40\
Hiobs Antwort: Einsichtige Zurücknahme der Anklagen gegen Gott.
$1$ Und der HERR antwortete dem Hiob und sprach:
$2$ Mit dem Allmächtigen will der Tadler rechten? Der da Gott
zurechtweist, er antworte darauf!
$3$ Da antwortete Hiob dem HERRN und sagte:
$4$ Siehe, zu gering bin ich! Was kann ich dir erwidern? Ich
lege meine Hand auf meinen Mund. $5$ Einmal habe ich geredet,
und ich will nicht [mehr] antworten; und zweimal, und ich will
es nicht wieder tun.
\40\
Zweite Rede Gottes: Beweis der Macht Gottes durch Bestrafung der
Hochmütigen - Seine Gewalt über den Behemot und den Leviatan.
$6$ Und der HERR antwortete Hiob aus dem Sturm und sprach:
$7$ Gürte doch wie ein Mann deine Lenden! Ich will dich
fragen, und du sollst mich belehren! $8$ Willst du etwa mein
Recht zerbrechen, mich für schuldig erklären, damit du gerecht
dastehst? $9$ Oder hast du einen Arm wie Gott, und donnerst
du mit einer Stimme wie er? $10$ Schmücke dich doch mit
Erhabenheit und Hoheit, in Majestät und Pracht kleide dich!
$11$ Streue die Ausbrüche deines Zornes umher und schau alles
Hochmütige an und erniedrige es! $12$ Schau alles Hochmütige
an, beuge es und tritt die Gottlosen nieder auf ihrer Stelle!
$13$ Verbirg sie allesamt im Staub, banne sie selbst an einen
verborgenen Ort! $14$ Dann werde auch ich dich preisen, weil
deine Rechte dir zur Hilfe kommt.
$15$ Sieh doch den Behemot, den ich mit dir gemacht habe!
Gras friβt er wie das Rind. $16$ Sieh doch seine Kraft in
seinen Lenden und seine Stärke in den Muskeln seines Bauches!
$17$ Er läβt seinen Schwanz gleich einer Zeder hängen, die
Sehnen seiner Schenkel sind [dicht] geflochten. $18$ Röhren
aus Bronze sind seine Knochen und seine Gebeine wie Stangen aus
Eisen. $19$ Er ist der Anfang der Wege Gottes. Der ihn
gemacht, hat [ihm] sein Schwert beschafft. $20$ Denn die
Berge bringen ihm Tribut, und alle Tiere des Feldes, die dort
spielen. $21$ Unter Lotosbüschen lagert er im Versteck von
Rohr und Sumpf. $22$ Die Lotosbüsche, sein Schatten, bedecken
ihn; es umgeben ihn die Bachpappeln. $23$ Siehe, der Strom
schwillt mächtig an - er hastet nicht davon. Er fühlt sich
sicher, [selbst] wenn ein Jordan gegen sein Maul hervorbricht.
$24$ [Wer] kann ihm in seine Augen greifen, ihm in der Falle
die Nase durchbohren?
$25$ Ziehst du den Leviatan mit der Angel herbei, und hältst
du mit dem Seil seine Zunge nieder? $26$ Kannst du einen
Binsenstrick durch seine Nase ziehen und mit einem Dorn seine
Kinnlade durchbohren? $27$ Wird er dich lange anflehen oder
dir schmeichelnde Worte geben? $28$ Wird er einen Bund mit
dir schlieβen, daβ du ihn zum Knecht nimmst für ewig? $29$
Willst du mit ihm spielen wie mit einem Vogel und ihn für deine
Mädchen anbinden? $30$ Werden die Handelsgenossen um ihn
feilschen, ihn verteilen unter die Kaufleute? $31$ Kannst du
seine Haut mit Spieβen spicken und seinen Kopf mit der
Fischharpune? $32$ Lege nur deine Hand an ihn! Denk an den
Kampf! Du wirst es nicht noch einmal tun!
\41\
$1$ Siehe, die Hoffnung auf ihn erweist sich als trügerisch.
Wird man nicht schon bei seinem Anblick niedergeworfen? $2$
Niemand ist so tollkühn, daβ er ihn aufreizte. - Und wer ist es,
der vor mir bestehen könnte? $3$ Wer hat mir zuvor gegeben,
daβ ich ihm vergelten sollte? [Was] unter dem ganzen Himmel
[ist], mir gehört es!
$4$ Nicht schweigen will ich von seinen Gliedern und von
seiner Kraftfülle und von der Schönheit seines Baues. $5$ Wer
deckte die Oberseite seines Gewandes auf? In sein Doppelgebiβ,
wer dringt da hinein? $6$ Wer öffnete die Türflügel seines
Gesichts? Rings um seine Zähne [lauert] Schrecken. $7$ Ein
Stolz sind die Schuppenreihen, verschlossen und fest versiegelt.
$8$ Eins fügt sich ans andere, und kein Hauch dringt
dazwischen, $9$ eins haftet am andern, sie greifen ineinander
und trennen sich nicht. $10$ Sein Niesen strahlt Licht aus,
und seine Augen sind wie die Wimpern der Morgenröte. $11$ Aus
seinem Rachen schieβen Fackeln, sprühen feurige Funken hervor.
$12$ Aus seinen Nüstern fährt Rauch wie aus einem angefachten
und glühenden Kochtopf. $13$ Sein Atem entzündet Kohlen, und
eine Flamme fährt aus seinem Rachen. $14$ In seinem Hals
wohnt Stärke, und vor ihm hüpft die Angst her. $15$ Die
Wampen seines Fleisches haften zusammen, sind ihm fest
angegossen, unbeweglich. $16$ Sein Herz ist fest wie Stein
und fest wie der untere Mühlstein. $17$ Vor seinem Erheben
fürchten sich Machthaber, vor Bestürzung ziehen sie sich zurück.
$18$ Trifft man ihn mit dem Schwert, es hält nicht stand,
noch Speer, noch Wurfspieβ oder Harpune. $19$ Er hält Eisen
für Stroh [und] Kupfer für faules Holz. $20$ Der Pfeil kann
ihn nicht vertreiben, Schleudersteine verwandeln sich für ihn in
Stoppeln. $21$ Wie Stoppeln gilt ihm die Keule, und er lacht
über den Aufprall des Krummschwertes. $22$ Unter ihm sind
Scherbenspitzen, auf dem Schlamm breitet er einen
Dreschschlitten aus. $23$ Er bringt die Meerestiefe zum
Sieden wie einen Kochtopf, macht das Meer wie einen Salbentopf.
$24$ Hinter sich läβt er den Pfad hell werden, man hält die
Tiefe für graues Haar. $25$ Auf Erden ist keiner ihm gleich,
ihm, der zur Unerschrockenheit geschaffen ist. $26$ Auf alles
Hohe blickt er [herab]; er ist König über alles stolze Wild.
\42\
Hiobs Antwort: Anerkenntnis der Gröβe Gottes und buβfertiger
Widerruf seiner Anklagen.
$1$ Und Hiob antwortete dem HERRN und sagte:
$2$ Ich habe erkannt, daβ du alles vermagst und kein Plan für
dich unausführbar ist. $3$ `Wer ist es, der den Ratschluβ
verhüllt ohne Erkenntnis?' So habe ich denn [meine Meinung]
mitgeteilt und verstand [doch] nichts, Dinge, die zu wunderbar
für mich sind und die ich nicht kannte. $4$ Höre doch, und
ich will reden! Ich will dich fragen, und du sollst es mich
wissen lassen! $5$ Vom Hörensagen hatte ich von dir gehört,
jetzt aber hat mein Auge dich gesehen. $6$ Darum verwerfe ich
[mein Geschwätz] und bereue in Staub und Asche.
\42\
Verurteilung und Begnadigung der Freunde Hiobs - Hiobs
Rechtfertigung.
$7$ Und es geschah, nachdem der HERR jene Worte zu Hiob
geredet hatte, da sprach der HERR zu Elifas, dem Temaniter: Mein
Zorn ist entbrannt gegen dich und gegen deine beiden Freunde:
Denn ihr habt über mich nicht Wahres geredet wie mein Knecht
Hiob. $8$ Und nun nehmt euch sieben Jungstiere und sieben
Widder und geht zu meinem Knecht Hiob und opfert ein Brandopfer
für euch! Und Hiob, mein Knecht, soll für euch Fürbitte tun. Nur
ihn will ich annehmen, damit ich euch nicht Schimpfliches antue.
Denn ihr habt über mich nicht Wahres geredet, wie mein Knecht
Hiob.
$9$ Da gingen Elifas, der Temaniter, und Bildad, der
Schuchiter, [und] Zofar, der Naamatiter, hin und taten es, wie
der HERR zu ihnen geredet hatte. Und der HERR nahm Hiob an.
\42\
Gottes Segen über Hiob.
$10$ Und der HERR wendete das Geschick Hiobs, als der für
seine Freunde Fürbitte tat. Und der HERR vermehrte alles, was
Hiob gehabt hatte, auf das Doppelte. $11$ Da kamen zu ihm all
seine Brüder und all seine Schwestern und alle, die ihn früher
gekannt hatten. Und sie aβen mit ihm Brot in seinem Haus, und
sie bekundeten ihm ihre Teilnahme und trösteten ihn wegen all
des Unglücks, das der HERR über ihn gebracht hatte. Und sie
gaben ihm jeder eine Kesita und jeder einen goldenen Ring.
$12$ Und der HERR segnete das Ende Hiobs mehr als seinen
Anfang. Und er bekam vierzehntausend Schafe und sechstausend
Kamele und tausend Gespanne Rinder und tausend Eselinnen.
$13$ Und es wurden ihm sieben Söhne und drei Töchter
[geboren]. $14$ Und er gab der ersten den Namen Jemima und
der zweiten den Namen Kezia und der dritten den Namen
Keren-Happuch. $15$ Und so schöne Frauen wie die Töchter
Hiobs fand man im ganzen Land nicht. Und ihr Vater gab ihnen ein
Erbteil mitten unter ihren Brüdern.
$16$ Und Hiob lebte nach diesen [Ereignissen noch] 140 Jahre.
Und er sah seine Kinder und seine Kindeskinder, vier
Generationen. $17$ Und Hiob starb, alt und der Tage satt.